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Mischpoche

Titel: Mischpoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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auf der richtigen Form seines Namens bestehen sollte, doch der Leiter der Staatspolizei fuhr ohne Umschweife in seiner Rede fort. »Ich habe hier schon alles für Sie bereitstellen lassen.« Er zog ein Päckchen Papiere aus seiner Tasche. »Hier ist eine Bahnkarte Zweiter Klasse, hier ein Anweisungsschein für ein Zimmer im Hotel Bauer, das, wie man mir versichert hat, direkt am Hauptplatz steht, und da haben wir auch noch eine Bestallungsurkunde, die Sie zum einzig verantwortlichen Beamten in dieser Sache macht, dem alle zur Verfügung stehenden Kräfte weisungsunterworfen sind.«
    Obwohl sich Bronstein eingestehen musste, dass ihm vor allem die zuletzt gefallene Formulierung enorm schmeichelte, kam er dennoch nicht umhin, die entscheidende Frage zu stellen: »Warum, bitte schön, ich?«
    »Weil wir, wie gesagt, keine zuständigen Behörden vor Ort haben. Wir brauchen jemanden, der auf dem Gebiet von Leib und Leben ein ausgewiesener Fachmann ist, und der …«
    Bronstein wartete einen Augenblick, doch sein Gegenüber kratzte sich nur verlegen am Hinterkopf.
    »… der?«
    »Nun ja, was soll ich da lange um den heißen Brei herumreden, Kollege! Sie wissen selbst, in zwei Wochen ist Weihnachten, und wer kann schon sagen, ob der Fall so schnell gelöst werden kann. Wir brauchen da unten jemanden, der ungebunden ist und nicht wegen der Feiertage um Urlaub einkommt.«
    Na bestens, dachte Bronstein verbittert. Nicht nur, dass er nach wie vor von der holden Weiblichkeit samt und sonders verschmäht wurde, jetzt richtete sich dieser ohnehin schon furchtbare Tatbestand noch zusätzlich gegen ihn. Anstatt unter dem Baum mit der Liebsten Franz Xaver Gruber zu würdigen, würde er am Weihnachtsabend in einem trostlosen Provinznest in einer abgetakelten Absteige mit irgendeinem Fusel mit sich selbst anstoßen. Was für eine Perspektive!
    »Es täte sich für Sie natürlich lohnen«, fuhr der Spitzenbeamte in der Zwischenzeit fort, da er Bronsteins Schweigen als ein Zögern wertete. »Sie bekämen nach Abschluss Ihrer Mission Sonderurlaub, und im Erfolgsfall natürlich eine entsprechende Belohnung.«
    Bronstein seufzte. »Wann soll ich fahren?«
    Sein Gegenüber strahlte. »Der Zug geht um 14 Uhr. Sie haben noch genügend Zeit für ein ansprechendes Mittagessen.«
    »Na dann«, sagte Bronstein mit einem Hauch Sarkasmus in der Stimme, auf den sein Besucher jedoch nicht näher einging. Vielmehr erhob sich dieser, legte die Unterlagen Bronstein vor die Nase und meinte, bereits zur Tür gewandt: »Sie sind in dieser Sache allein mir persönlich berichtspflichtig. Ich habe Ihnen meine Fernsprechnummern notieren lassen, unter denen Sie mich Tag und Nacht erreichen können. In Ödenburg selbst wird Ihnen von der Armee ein Feldtelefon zur Verfügung gestellt. Außerdem unterstehen Ihnen dort fünf Gendarmen und zwei Soldaten. Wenn Sie mit dieser Truppe nicht das Auslangen finden, dann können Sie jederzeit mehr Mannschaften beantragen. Wie gesagt, in dieser Causa sind Sie in Ödenburg Kaiser und Gott.«
    »Na, das möge Letzterer abhüten«, erging sich Bronstein in einem Anflug von Galgenhumor, »ich glaube nicht, dass ein Kaiser dort im Augenblick sehr populär wär’.«
    »Auch wieder wahr«, grinste der Staatspolizist und griff nach der Türschnalle. »Alsdern, ich erwarte morgen früh Ihren ersten fernmündlichen Bericht.«
    »Sehr wohl, Herr Hofrat.«
    Doch diesen Satz hatte der Mann wohl nicht mehr gehört. In erstaunlicher Eile war dieser auf den Gang getreten und hatte die Tür hinter sich geschlossen. Bronstein kam jedoch kaum zum Durchatmen, als sich die Pforte neuerlich öffnete. Pokorny grinste erwartungsvoll: »Na, was hat er wollen, der Oberhäuptling?«
    »Dass ich jetzt essen geh’«, replizierte Bronstein lakonisch und verließ spornstreichs den Raum.
    Wenige Minuten vor zwei Uhr nachmittags traf er am Südbahnhof ein. Ein kurzer Blick auf die Anzeigetafel verriet ihm, auf welchen Bahnsteig er sich zu begeben hatte. Als er des Zugs ansichtig wurde, war wieder einmal ein Seufzer angesagt. Natürlich bestand dieser Zeiserlwagen lediglich aus ein paar verkommenen Waggons, die sämtlich drittklassig waren. Seine Fahrkarte war nichts als ein übler Scherz der Bahndirektion. Ebenso gut hätte man ihm ein Ticket erster Klasse ausstellen können, ihm blieb es dennoch nicht erspart, sich mit Bauern, Viehhirten und gestrandeten Existenzen auf einer der harten Holzbänke niederzulassen und darauf zu hoffen, die Fahrt möge nicht

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