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Mischpoche

Titel: Mischpoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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musste sich also schon um eine außergewöhnliche Frage handeln, wenn man sogar ihn hinzuzog, und Bronstein überlegte, ob man ihn wohl auch nach seiner Meinung fragen würde. Und dann auch gleich beim Polizeipräsidenten!
    Nicht, dass Bronstein Schober sonderlich gemocht hätte. Im Gegenteil. Er verachtete den deutschtümelnden Arroganzler von ganzem Herzen. Seit der Mann einige Monate als Bundeskanzler amtiert hatte, war er überhaupt nicht mehr auszuhalten und hielt sich für einen neuen Metternich, den nur die Unbilden des Schicksals daran hinderten, Kutscher Europas zu sein. Und als Mann mit unverkennbar jüdischem Nachnamen hatte Bronstein bei dem hochnäsigen Provinzler von vornherein kein leichtes Leben, was ihm Schober naturgemäß nicht sympathischer machte.
    Wer wohl der ›Hofrat‹ sein mochte? Der Berger vielleicht von der Staatspolizei? Oder der Wurzinger von der Fremdenpolizei? Nun gut, Hofräte waren eigentlich alle höheren Beamten des Hauses, sogar Schobers rechte Hand Seydel hatte diesen Titel. Bronstein beschloss, sich überraschen zu lassen. Obwohl, er tippte auf Berger, der als Einziger von den höhergestellten Persönlichkeiten stets ein nettes Wort für die Kollegenschaft übrighatte. Dem Seydel war er hingegen nur ein einziges Mal nähergekommen, und das unter Umständen, an die dieser wohl kaum mehr erinnert werden wollte.
    »Haaallo!«
    Pokorny war sichtlich pikiert, dass ihm Bronstein keinerlei Aufmerksamkeit mehr schenkte. »Kaum kommt einmal der Ruf von oben, schon sind wir da unten dir vollkommen egal!«
    »Wir?«
    »Na, der Wondratschek und ich.« Pokorny bemühte sich um ein Lächeln.
    »Weißt was«, sagte Bronstein mit aufkommendem Widerwillen, »ich geh’ jetzt einmal brunzen. Und dein Wondratschek soll von mir aus schei …«
    Ohne ein weiteres Widerwort von Pokorny abzuwarten, erhob sich Bronstein umständlich und verließ den Raum. Am Gang wandte er sich nach links, ging ein paar Meter geradeaus und bog dann neuerlich nach links ab. Er stellte sich auf den Abtritt, schob sein Jackett zur Seite und begann sodann, seine Hose aufzuknöpfen.
    Am Gang zog er seine Taschenuhr aus der Weste und stellte fest, dass es knapp nach halb elf war. Begab er sich nun noch einmal in sein Büro, dann bestand die drohende Gefahr, dass ihn Pokorny so mit seinen kruden Theorien in Beschlag nahm, dass Bronstein womöglich zu spät auf der Sitzung erschien. Ein solches Risiko galt es unbedingt zu vermeiden. Er beschloss daher, in der Kantine noch schnell einen Kaffee zu trinken und dazu eine Zigarette zu rauchen, dann war er ganz sicher rechtzeitig im genannten Besprechungsraum.
    Ziemlich genau 25 Minuten später betrat Bronstein die ihm genannte Örtlichkeit und stellte fest, dass er der Erste war. Unsicher, ob er sich einfach setzen oder stehend warten sollte, entschied er sich dazu, besonderes Interesse für das Ölgemälde zu entwickeln, das wohl schon seit der Erbauung des Gebäudes dort an der Wand hing. Bronstein hatte jedoch kaum länger als eine Minute auf die Leinwand gestarrt, als sich die Tür öffnete und die Hofräte Berger und Wurzinger eintraten.
    »Ah, grüss’ Sie, Bronstein«, sagte Berger jovial und streckte ihm die Hand entgegen, die Bronstein mit einer leicht angedeuteten Verbeugung ergriff. »Den Kollegen Wurzinger kennen Sie ja sicher. Ferdinand, das ist Kollege David Bronstein vom Mord.«
    »Ah, die Redl-Sache. Ich erinnere mich«, meinte Wurzinger knapp und reichte Bronstein gleichfalls die Hand. »Gut, dass Sie da sind«, fuhr Berger fort, »sehr diffizile Sache, um die es hier geht. Der Präsident braucht dringend eine Entscheidung, und ich habe mir erlaubt, Sie beizuziehen, weil Sie, nun ja, bekannt dafür sind, auch in schier ausweglosen Lagen eine Lösung zu finden.«
    Bronstein konstatierte ein nervöses Zucken des rechten Mundwinkels. Dafür war er bekannt? Und worum ging es, um Himmels willen? Was erwartete man von ihm? Oh Gott, er würde sich ohne Frage bis auf die Knochen blamieren! Sein ganzer guter Ruf, so er überhaupt einen hatte, würde sich in Nichts auflösen, und er würde sich als Postenkommandant in Floridsdorf wiederfinden.
    »Worum geht es …« Bronstein kam nicht dazu, seine Frage zu vollenden, denn die Tür flog erneut auf, und Polizeipräsident Schober mit Vizepräsident Seydel und weiteren hohen Beamten im Schlepptau erschien auf der Szene. Ohne Umschweife nahm er am Kopf des schweren Eichentisches Platz, und sein Gefolge verteilte sich

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