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Mischpoche

Titel: Mischpoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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das Heikle an der Sache. In München scheint dieser Hitler schon eine ziemliche Lokalgröße zu sein. Bei seinem Putsch hat ja sogar der Ludendorff mitgemacht, der mit Hindenburg der Chef des Generalstabs des deutschen Heeres gewesen ist. Offenbar scheuen die Richter in München daher vor einer Verurteilung zurück, weil sie sonst auch einen Kriegshelden aburteilen müssten. Daher wollen sie Pontius Pilatus spielen und die ganze Angelegenheit an uns weiterreichen.«
    »Sie meinen, eine Ausweisung ohne vorige Verurteilung?«
    »Ja, was weiß denn ich! Jedenfalls wollen s’ ihn loswerden, und das schnell. Und unsere Aufgabe ist es, den Kelch an uns vorübergehen zu lassen«, riss der Präsident die Initiative wieder an sich. »Und da an der Staatsbürgerschaft dieses Kerls offenbar kein Zweifel besteht, müssen wir einen anderen Weg finden, wie wir die Abschiebung nach Österreich verhindern.« Bronstein verfolgte das Geplänkel der leitenden Beamten wie eine Posse im Theater. Keine Frage, er war hier Zuschauer und nicht Akteur. Wenn schon die Herren Ministerialräte und Sektionschefs auf keinen grünen Zweig kamen, dann konnte ihm wohl niemand einen Strick aus der Tatsache drehen, dass auch er ratlos war. Und falls ihm Berger nach der Sitzung wirklich vorwerfen sollte, er sei keine Hilfe gewesen, dann würde er eben in die Offensive gehen und erklären, dass die Wiener Polizei angesichts der jüngsten Verbrechenswelle wohl andere Sorgen habe, als sich auch noch um die Lage in München kümmern zu können. Beinahe war Bronstein dem Pokorny dankbar für seine hanebüchene Geschichte mit diesem Wondratschek. Den würde er dem Berger unter die Nase reiben. Der ist uns durch die Lappen gegangen, weil wir viel zu wenig Leute haben, Herr Hofrat! Der sitzt jetzt in Paris anstatt im Einserlandl! Und von dort dreht er uns eine lange Nase, Herr Hofrat, so schaut’s nämlich aus. Ja, mit dieser Strategie würde er jede Kritik an seiner Ratlosigkeit erfolgreich abwehren können, dies umso mehr, als ja den anderen auch nichts eingefallen war. Dass der Wondratschek in Wirklichkeit ein armer Hund war, das musste man ja nicht dazusagen. Man konnte ihn vielmehr zu einem Gentleman-Gauner stilisieren, der mit riesiger Beute jetzt auf Graf von Luxemburg machte, denn Berger würde der Sache sicher nicht weiter nachgehen. Und außerdem, wenn Pokornys These stimmte und der Wondratschek wirklich in der Fremdenlegion untertauchte, dann …
    Die Fremdenlegion! Moment. Was hatte Pokorny da zuvor doch gleich schwadroniert? Wer in einem fremden Heer Dienst tat, der verlor automatisch durch diese Handlung die österreichische Staatsbürgerschaft! Ganz zufällig hatte Pokorny einmal einen Paragraphen des heimischen Gesetzeswerkes richtig im Kopf behalten! Das stimmte, wer einer ausländischen Macht das Schwert lieh, der ging aller staatsbürgerlichen Rechte verlustig.
    Bronstein spürte, wie seine Kehle trocken wurde. Sollte er sich wirklich in diesem erlauchten Kreis zu Wort melden? Er musste diese seine These doch erst einmal in Ruhe zu Ende denken, ehe er damit herausplatzte, sonst erntete er am Ende nur Spott und Hohn anstatt Anerkennung und Lob, wenn er irgendein unsignifikantes Detail vergessen haben sollte. Vielleicht galt dieser Paragraph nur für feindliche Heere und nicht für verbündete?
    Unsinn! Ein fremdes Heer war ein fremdes Heer, und gerade die Italiener hatten eindrucksvoll gezeigt, wie schnell aus Verbündeten Feinde werden konnten. Es musste also diese Gesetzesstelle ohne Frage für jede Armee gelten, egal ob Mittelmacht oder Entente. Ja, je länger Bronstein darüber nachdachte, desto sicherer wurde er sich seiner Sache. Er räusperte sich und schob seinen Oberkörper nach vorne.
    »Entschuldigung«, hörte er seine eigene Stimme durch den Raum dringen, »wo, sagten Sie, hat der Mann gedient?«
    »Bei der 6. königlich bayerischen Infanteriedivision«, kam die Antwort, »und zwar von August 14 bis November 18.«
    »Die unterstand ja wohl kaum dem Oberkommando der österreichisch-ungarischen Armee«, setzte Bronstein nach.
    »Natürlich nicht«, kam die verwunderte Antwort vom anderen Ende des Tisches, »die war, wie der Name schon sagt, Teil des bayerischen und damit des deutschen Heeres. Aber ich verstehe nicht ganz, wie uns das in der konkreten Causa weiterbringen sollte …«
    Der Hofrat Wurzinger kam nicht weiter, denn Bronstein fiel ihm ins Wort.
    »Der Mann hat sich also dem Dienst in der österreichischen Streitmacht

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