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Mischpoche

Titel: Mischpoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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gleichmäßig zu seiner Linken und zu seiner Rechten. Berger setzte sich gleichfalls und bedeutete Bronstein unauffällig, sich neben ihm niederzulassen.
    Schober griff nach seiner Taschenuhr, warf einen prüfenden Blick darauf, steckte sie wieder ein und begann ohne weitere Verzögerung mit seiner Rede.
    »Mein sehr verehrter Herr Nachfolger«, erklärte er, um daran eine Pause anzuschließen, die allen die Möglichkeit geben sollte, die Ironie, die er in das letzte Wort gelegt hatte, zu erkennen. Natürlich entging sie auch Bronstein nicht. Schober hatte es immer noch nicht verwunden, nicht mehr Kanzler zu sein, und so hasste er den Obmann der Christlichsozialen, der ihn als Regierungschef abgelöst hatte, innig und aufrichtig. Bronstein konnte sich nicht daran erinnern, dass Schober den Namen des Kanzlers jemals ausgesprochen oder irgendwo verwendet hätte, und diese abgrundtiefe Abneigung verließ den Präsidenten sichtlich auch an diesem Tage nicht.
    »Hat ein diffiziles Problem am Hals«, fuhr Schober endlich fort, »bei dessen Lösung wir ihm behilflich sein sollen. Dies ist der Grund, warum wir auch die Kollegen aus dem Innen- und aus dem Justizressort beigezogen haben, denn es eilt ein wenig.«
    Schober blickte sich am Tisch um, fand augenscheinlich die gesuchte Person und setzte seine Einleitung fort: »Kollege Wurzinger, sind S’ doch so nett und bringen alle hier im Raum auf den gleichen Wissensstand.« Dann lehnte sich Schober zurück und faltete die Hände. Wurzinger räusperte sich und ordnete dabei die vor ihm liegenden Papiere. Dann kam er ohne Umschweife zur Sache.
    »Es geht um Adolf Hitler. Ich denke, der Name wird allen Anwesenden etwas sagen.«
    Bronstein bemühte seine grauen Zellen. Wer war das noch mal? Verstohlen sah er nach links und nach rechts, um festzustellen, ob es anderen genauso ging wie ihm, doch den ausdruckslosen Gesichtern war keinerlei Information darüber zu entlocken. »Der Mann hat vor etwa vier Monaten«, hörte er Wurzinger fortfahren, »in München einen dilettantischen Putschversuch unternommen und steht dafür gerade vor Gericht.«
    Ach ja, richtig, jetzt fiel es ihm wieder ein. Irgend so ein Schreihals hatte mit ein paar arbeitslosen Rabauken die Macht in Deutschland ergreifen wollen. Gute Güte, solche Kerle gab es da drüben doch im Dutzend, was ging das Wien an?
    »Nun hat die deutsche Seite beim Herrn Bundeskanzler vorgefühlt, wie dieser zu einer Repatriierung stünde.«
    Repatriierung? War der Mann Österreicher? Wollten die Deutschen ihn deshalb abschieben? Das konnte doch wohl kaum möglich sein, immerhin war es damals doch, soweit er sich erinnerte, um eine deutsche Erneuerungsbewegung gegangen, die pausenlos »Deutschland erwache« gerufen hatte.
    »Der ist Österreicher?« Zum Glück hatte einer der Vertreter des Justizministeriums die Frage gestellt, die auch Bronstein durch den Kopf ging. »Ja«, antwortete Wurzinger, »ich darf an den Kollegen Berger vom staatspolizeilichen Büro übergeben.«
    »Meine Herren«, begann dieser, »ich darf davon ausgehen, dass Sie sämtliche Informationen, die Sie nun erhalten werden, vertraulich behandeln. Besagter Hitler wurde 1889 in Braunau am Inn geboren und lebte ab 1907 in Wien, und zwar zunächst im Obdachlosenasyl in Meidling, dann im Männerwohnheim in der Brigittenau. Im Sommer 1913 siedelte er nach München über, wodurch er sich dem Wehrdienst in der kaiserlich-königlichen Armee entzog. Er tat dann dennoch im Weltkrieg Dienst mit der Waffe, und zwar«, und an dieser Stelle blätterte Berger erstmals in seinen Unterlagen, »in der 6. königlich bayerischen Infanteriedivision. Er wurde mehrmals verwundet und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet . Nach dem Krieg arbeitete er als Konfident der bayerischen Staatspolizei, das heißt, genau genommen«, wieder blätterte Berger nach, »für die Reichswehrverwaltung, die damals mit polizeilichen Aufgaben betraut war. Wie Sie sich denken können, hat sich der V-Mann seit 1919 selbstständig gemacht und steht nun als Anführer einer Gruppierung namens NSDAP vor Gericht.«
    Nun ergriff wieder Wurzinger das Wort. »Den Bayern ist die ganze Sache offenbar peinlich. Sie wollen diesen Hitler anscheinend am liebsten los sein, und darum haben sie sich daran erinnert, dass der eigentlich Österreicher ist. Deshalb hat die bayerische Regierung dem Herrn Bundeskanzler avisiert, dass sie besagten Hitler unmittelbar nach dem Urteil, das für Ende dieses Monats oder spätestens für

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