Mischpoche
die Augen, blies andeutungsweise Luft aus und sagte dann gottergeben: »Und was steht d’rauf, auf dem Kuvert?«
Jetzt freilich war Pieslinger irritiert: »Woher wissen S’, dass etwas draufsteht, Herr Oberstleutnant?«
»Wenn’s einfach nur Papierschnitzel g’wesen wären, dann täten S’ da jetzt nicht so auf Ecclesia Triumphans machen.«
Pieslingers Gesichtsausdruck changierte erneut. Diesmal eindeutig in Richtung Enttäuschung. Beinahe beiläufig sagte er: »Eine Adress’. Mitzi Thaler, Rochusgasse 11. Da auf der Landstraße.«
Bronsteins Miene hellte sich auf:
»Na sehen S’, Herr Kollege! Gut g’macht.«
Pieslinger zeigte eine neue Facette seiner Mimik: Verwunderung.
»Na, das ist doch ein Ansatzpunkt. Die Frau Thaler werden wir jetzt aufsuchen – beziehungsweise, wenn wir sie nicht antreffen, nur suchen. Weil dann ist sie wahrscheinlich diejenige welche, der was jetzt die zwei Haxerln da fehlen.« Bronstein dämpfte die Zigarette aus. »Meine Herren! Das war sehr aufschlussreich. Kompliment. Herr Kollege«, dabei wandte er sich an Pieslinger, »geben S’ mir die Ehre?«
»Ich soll Sie begleiten, Herr Oberstleutnant?«
»Du reicht. Und ja. Das wär’ praktisch.«
Pieslingers Antlitz bewies enorme Wandlungsfähigkeit. An die Stelle von Ver- trat nun Bewunderung. »Aber mit dem größten Vergnügen.« Bronstein verabschiedete sich per Handschlag von Doktor Zellinger und machte sich mit Pieslinger zu Fuß auf den Weg zur Rochusgasse, die freilich nicht sonderlich weit entfernt war.
Vor dem in Rede stehenden Haus hielt Bronstein kurz inne. »Am besten«, meinte er dann zu Pieslinger, »wir geh’n zuerst einmal zum Hausmeister. Diese Leut’ wissen in der Regel alles.« Pieslinger nickte nur.
Im Inneren des Gebäudes wies ein winziges Schild mit kaum mehr leserlicher Schrift ins Souterrain. Dort hauste des Hauses Hausbesorger. Bronstein klopfte an. Der die Türe öffnende Bewohner der Unterkunft sah Pieslingers Uniform und sagte grußlos: »Was liegt an, Herr Inspektor?«
»Sagt Ihnen der Name Maria Thaler etwas?«, fragte Bronstein.
»Die Mitzi? Klar, die hat bei mir g’wohnt eine Zeit lang. Warum fragen S’?«
»Bei Ihnen? Waren Sie liiert mit ihr?«
»Na, natürlich ned. Sehen S’ das ned, Herr Rat?« Offenbar wusste der Hausmeister Bronsteins Rolle nicht wirklich einzuschätzen und entschied sich daher für eine recht allgemeine Anrede, die anstelle wirklicher Amtstitel durchgehen mochte. »Ich bin fast 60, die Mitzi is’ g’rad’ einmal 20. Da ist ma ned liiert mit so einem Altersunterschied.«
»Na, sagen S’ das ned«, wiegelte Bronstein ab, »aber warum hat sie dann bei Ihnen gewohnt?«
»Schauen S’, Herr Rat, die G’schicht’ ist a bissl heikel. Wenn ich also um Diskretion bitten dürft’?«
»Solang es mit dem Fall nichts zu tun hat, sicher«, entgegnete Bronstein.
»Schauen S’, ich krieg da als Hausmeister ned amoi an feuchten Dreck. Wenn ich überleben will, dann muss ich mich nach der Decke strecken, ned?! Und daher lass’ ich da manchmal Leut’ wohnen. Gegen eine … gewisse Aufwandsentschädigung.«
Während des letzten Wortes war der Hausbesorger immer leiser geworden. Offenkundig hatte er nicht das Recht, Teile seiner Wohnung unterzuvermieten, und so verdiente er sich schwarz ein Körberlgeld dazu. Doch das brauchte die Kriminalpolizei nicht zu interessieren. »Versteh’ schon. Und die … Mitzi … hat zu diese Leut’ g’hört?«
»Genau. Sie hat als Hausgehilfin und als Bedienerin gearbeitet. Aber wegen der vermaledeiten Krise da hat s’ natürlich a ihr Hackn verloren. Na ja, und Samariter bin i a kaner, weil das kann i mir ned leisten.«
»Also ist sie ausgezogen«, resümierte Bronstein.
»Ja.«
»Und wissen S’, wohin?«
»Nein. Aber wissen S’ was, Herr Rat, der Wrbik könnt’ das wissen.«
»Und der Wrbik ist jetzt nachher wer?«
»Ein Kanalräumer, der was auch bei mir wohnen tut, Herr Rat.« Der Hausmeister streckte seinen Hals vor und sah nach links und nach rechts, ehe er sich Bronsteins Haupt beängstigend weit näherte. »Ein unguter Bazi, Herr Rat. Ein echter Säufer, der was schon mehrmals am Steinhof war wegen seiner Sauferei. A rechter Krawallmacher und Choleriker. Den sollten S’ Ihnen einmal anschau’n. Wenn der seinen Rappel kriegt, dann rinnt meistens Blut. Aber von mir haben S’ das ned, Herr Rat, sonst verdrischt der mi a no.«
»Na, die sind mir die liebsten. Den stutz’ ich mir schon z’samm auf ein
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