Mischpoche
versuchte, sich zur Mariahilferstraße durchzukämpfen, um dort im Gewühl unterzutauchen. Doch wenige Meter vor dem Erreichen seines Zieles stellte sich ihm ein Riegel von einem Mann entgegen. »Für di is jetzt Antoni am letzten«, ließ sich der Riese vernehmen und rammte Schimmerl ansatzlos die Rechte in den Bauch. Schimmerl stöhnte, verdrehte die Augen und klappte zusammen.
Eine Viertelstunde später klopfte Berger auf die Fahrertür des Polizeitransporters und signalisierte so, dass dieser mit seiner Fracht abfahren konnte. Dann wandte er sich Bronstein zu: »Na, was hab’ ich dir gesagt! G’schafft haben wir’s! Und die Beute haben wir auch noch sichergestellt. Wenn das kein Triumph ist!«
Bronstein lächelte milde: »Ja. Aber ned für uns. Für die Sequens!«
1931: Stückchenweise
»Bundespolizeidirektion Wien, Mordkommission, Oberstleutnant Bronstein am Apparat, womit kann ich dienen?« Monoton rasselte Bronstein den Standardspruch herunter, verärgert über den Umstand, dass er bereits um Punkt 8 Uhr morgens, kaum dass er sein Büro betreten hatte, mit einem Anruf konfrontiert wurde. Weder stand ein Kaffee vor ihm, noch war es ihm gelungen, sich seine erste Amtszigarette anzuzünden. Er hatte vielmehr den Hörer noch im Stehen aus der Gabel gehoben. Was er zu hören bekam, veranlasste ihn jedoch, sich erst einmal zu setzen.
»Was sagen Sie da?«
»Ja, Herr Oberstleutnant, Sie haben richtig g’hört. Zwei Frauenschenkel. Einfach abgeschnitten und in Packpapier eing’wickelt. Die liegerten da bei uns am Kommissariat.«
Jetzt wirkte er bereits 24 Jahre im Dienste der Wiener Polizei, und in diesen Jahren war ihm doch einiges an Merk- und Denkwürdigkeiten untergekommen, aber dass jemand zwei Frauenbeine abgetrennt und in Packpapier eingeschlagen hätte, als handelte es sich dabei um Hühnerklein oder Schweinshaxen, das war sogar ihm neu.
»Jetzt alles einmal der Reihe nach«, bemühte er sich um Contenance. »Sie wollen mir erklären, irgendwer hat ein paar Wei…, Frauenbeine gefunden? Einfach so?« Seine Stimme verriet seine nachhaltige Skepsis, und Bronstein ertappte sich, dass er über das Telefon hinweg auf den Standkalender linste, um sich en passant zu vergewissern, ob man nicht den 1. April schrieb. Nein, es handelte sich um den 9. März. Für einen Aprilscherz wäre die Nachricht auch entschieden zu geschmacklos gewesen.
»Ja, schauen S’, Herr Oberstleutnant. Heute ist um 6 Uhr morgens ein Herr auf das Kommissariat gekommen und hat gemeint, er hätt’ da einen Haxen g’funden. Er …«
»Jetzt warten S’ einmal, Herr Kollege. Wo sind Sie überhaupt?«
»Koat drei …«
»Wissen S’ was, ich schau mir die Sache persönlich an. Telefonieren S’ derweil dem Polizeiarzt, der soll auch hinkommen und uns sagen, was er davon halt.«
Der Uniformierte sicherte Bronstein die prompte Erfüllung dieser Anweisung zu, und Bronstein hängte ein. Er blickte auf die Uhr, die fünf Minuten nach acht zeigte. In den dritten Bezirk würde er mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwa eine halbe Stunde benötigen. Genug Zeit also für einen Kaffee und eine Zigarette, wenn man es richtig anstellte. Er griff noch einmal zum Telefon. Auf das Melden des gewünschten Teilnehmers reagierte Bronstein prompt: »Ich brauch’ in 15 Minuten einen Wagen. Mordverdacht auf der Landstraße.« Dann lehnte er sich zurück und rauchte sich eine Zigarette an. Durch die offene Tür verlangte er nach einem Kaffee, der zwei Minuten später vor ihm auf dem Tisch stand.
Weitere 28 Minuten später betrat Bronstein die Amtsstube des Landstraßer Kommissariats. »Alsdern«, belferte er, »wo hamma die Schlögel?«
Ein Revierinspektor Pieslinger wies die Funde vor und erläuterte sie: »Um 6 Uhr in der Früh ist der Herr …«, Pieslinger konsultierte kurz seine Aufzeichnungen, »Fuchs, Eduard Fuchs, wohnhaft Krummgasse 5, zu uns gekommen und hat g’sagt, er hätt’ ein Frauenbein g’funden. Das da«, dabei deutete Pieslinger auf das linke, das ohne jede Umhüllung auf dem Tisch lag, »und er hat g’meint, er hat es in einer Tornische des Hauses Krummgasse 4 entdeckt. Na ja, wir haben eine Niederschrift g’macht, aber er hat nur g’meint, mehr könnt’ er darüber ned sagen. Er hat seinen üblichen Morgenspaziergang g’macht und sich über den Schneehaufen in der Nische g’wundert, weil der Hausbesorger vom Viererhaus so ein penibler und ordnungsliebender Mensch sei, dass ihm so ein Haufen nie nicht passieren
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