Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser
Welt daneben- steht und zusieht. So was macht doch sofort die große Runde.«
Soviel zum Thema wahre Bruderliebe. Alec hatte entspre- chend weniger Bedenken, als er sagte: »Er ist nicht ertrunken. Anscheinend ist Mr. DeLancey an den Folgen eines Schlags gegen den Kopf gestorben.«
»Er ist hingefallen?« Seine Lordschaft entfärbte sich ein we- nig. »Oder wollen Sie damit sagen, daß jemand ihn geschlagen hat?«
»Letzteres, Sir. Vermutlich ist er an den Folgen eines Streits gestorben.«
»Ein Streit?« Die Blässe DeLanceys konkurrierte fast schon mit der seines toten Bruders. »Was meinen Sie mit ›Folgen‹? Wieviel später ist das denn geschehen?«
»Momentan habe ich nur sehr wenige Informationen. Ich werde Sie befragen müssen, wann Sie Ihren Bruder zuletzt ge- sehen haben, in was für einem Zustand er da war, was Sie von seinen jeweiligen Aufenthalten wissen und ob Ihnen jemand bekannt ist, der Ihren Bruder … nicht besonders mochte. Allerdings ist dies wohl kaum der richtige Ort dafür.«
Zum erstem Mal schaute Lord DeLancey auf die Blazer, die den Leichnam von Basil DeLancey bedeckten. »Dies ist wohl auch kaum der richtige Ort, um ihn so liegenzulassen, wo je- der beliebige Passant ihn beglotzen kann«, sagte er ärgerlich.
Alec stimmte ihm zu. Es gab keinen Grund, den Leichnam nicht von hier fortzuschaffen. Seine Lage mußte nicht photo- graphiert werden, der Boden brauchte nicht nach Hinweisen abgesucht zu werden, all diese Dinge entfielen. Also konnte man den Leichnam abtransportieren, bevor der Polizeiarzt ihn gesehen hatte. Die Hinweise würden dort zu suchen sein, wo DeLancey geschlagen worden und gestürzt war, nicht am Ort seines Todes.
War das etwa im Bootshaus geschehen? Alec fragte sich das im stillen, als er Daisy sah, die immer noch so tat, als würde sie nicht lauschen.
»Ich möchte ihn nur ungern durch diese Menschenmenge in die Stadt abtransportieren lassen«, sagte er zu Lord DeLan- cey.
»Nein, um Himmels willen, bloß nicht!«
»So daß wir kaum Alternativen haben. Daisy!« Alec mußte fast lächeln, als er sah, wie eilig sie sich umwandte. »Wie sehr würde deine Tante aus dem Lot geraten, wenn wir den Ver- storbenen zu ihr ins Haus brächten?«
»Da habe ich nicht die geringste Ahnung. Allzu schlimm dürfte es für sie nicht sein, denke ich. In Afrika sind sicherlich viel entsetzlichere Dinge an der Tagesordnung, meinst du nicht auch? Er würde ja auch nicht lange dort bleiben, oder? Himmel, das klingt ja schrecklich. Ich bitte um Verzeihung, Lord DeLancey. Und ich möchte Ihnen mein Beileid ausspre- chen.«
DeLancey verbeugte sich leicht.
»Er soll ja auch nur so lange dort bleiben, bis wir ihn ins nächste Leichenschauhaus transportieren können«, sagte Alec. »Wird sie etwas dagegen haben, wenn ich ein paar Tele- phonate führe?«
»Nicht das mindeste, davon bin ich überzeugt.«
»Wir bringen ihn also zu den Cheringhams. Kennen Sie das Haus, Lord DeLancey? ›Bulawayo‹, an der Straße nach Marlow.«
»Bestens bekannt.«
»Es wird vielleicht ein bißchen schwierig, das mit einem Skiff zu bewerkstelligen, aber irgendwie werden wir es schon schaffen. Sie können die Tragbahre jetzt zusammenbauen, Constable.«
Einer von Washburns Leuten hatte eine zusammenklapp- bare Bahre mitgebracht, in der ein Leintuch lag. Alec nahm das Tuch, und die beiden Constables begannen, die Bahre aus- einanderzuklappen.
»Ich mach mich dann mal auf den Weg«, sagte Lord De- Lancey.
»Sie kommen nicht mit uns?« fragte Alec erstaunt.
»Nein. Ich gehe jetzt zurück nach Crowswood Place, wo ich übernachte – da bin ich auch zu erreichen. Ich muß meine Fa- milie benachrichtigen. Den Earl und die Gräfin von Bicester. Momentan sind sie auf dem Schiff nach Amerika, weil sie meine Schwester dort besuchen wollen.«
Womit es eine Komplikation weniger gäbe. Alec schickte ein stilles Dankgebet gen Himmel. »Wie Sie wünschen, Sir. Aber erst muß ich Sie noch bitten, das Opfer zu identifizie- ren. Nicht, daß es den geringsten Zweifel gäbe, daß es sich um Ihren Bruder handelt, aber für den Coroner ist es wichtig, daß es eine formelle Identifizierung durch einen Verwandten gibt.«
Zögernd folgte ihm Lord DeLancey zur Leiche. Alec hob eine Ecke des Blazers vom Gesicht. Seine Lordschaft warf einen kurzen Blick dorthin. Es sah so aus, als sei ihm übel.
»Das ist mein Bruder Basil DeLancey«, bestätigte er, und Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn.
»Vielen Dank. Ich melde mich dann wieder bei
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