Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser
Alec mit den anderen erörtern sollen. Frieth hatte im Großen Krieg gedient.
Er mußte doch wissen, was es mit Kopfverletzungen auf sich hatte. DeLancey eins überzubraten war die eine Sache, aber seine Symptome zu sehen und zuzulassen, daß er sich trotzdem körperlich anstrengte, war etwas ganz anderes.
Frieth hob den Kopf. »Es ist mir überhaupt nicht in den Sinn gekommen, daß es mehr sein könnte als nur ein Kater.«
»Hatten Sie keine Sorge, daß seine Leistungen als Ruderer davon beeinträchtigt werden könnten? Sie hätten doch einen der anderen für ihn einsetzen können.«
»DeLancey war sowohl Schlagmann als auch Steuermann,
nicht nur Ruderer. Ich hätte natürlich seinen Platz einnehmen und Meredith oder Wells in den Bug setzen können, aber DeLancey war wild entschlossen, am Rennen teilzunehmen. Es hätte einen unglaublichen Streit gegeben, wenn ich ihn rausgeschmissen hätte. Außerdem war er schon einige Male morgens mit einem gewaltigen Kater erschienen, nur um später auf dem Wasser geradezu aufzuleben. Und er hatte auch gar keine Schwierigkeiten, heute morgen zur Startlinie zu rudern, mit einem ordentlichen Frühstück intus. Wie konnte ich denn wissen, daß da etwas nicht stimmte?«
Eine vernünftige Frage. Und leicht genug, sie zu überprü-
fen, dachte Alec. »Sie haben nicht gehört, wie er mitten in der Nacht Unruhe verbreitet hat?«
»Noch nicht einmal ein Flüstern. Die arme Tish! Ich
wünschte, sie hätte sich an mich gewandt.«
»Was hätten Sie denn getan?«
Frieth wirkte überrascht. »Nun ja, wahrscheinlich hätte ich nichts anderes tun können, als was Fosdyke getan hat – die Sache an die große Glocke zu hängen, egal zu welchem Zeitpunkt, hätte Tish nur noch mehr verwirrt. In letzter Zeit mußte sie wirklich mit zu vielem klarkommen, die Dinge haben sich ja wirklich überstürzt. Aber wenigstens hätte ich sie 179
trösten können. Ihr die Sicherheit geben können, daß ich nicht einen Augenblick dachte, daß sie diesen Kerl auch nur das geringste bißchen ermutigt hat. Wenn ich nur aufgewacht wäre!«
»Sie haben die ganze Nacht tief und fest durchgeschlafen?«
»Ehrlich gesagt, nein. DeLancey kann nicht sehr viel Krach gemacht haben, sonst hätte ich das gehört, denn ich habe sehr schlecht geschlafen. Die ganze Zeit wälzte ich mich auf meinem Lager, oder wie auch immer das in der Literatur genannt wird. Ein Segen, daß Cherry darauf bestanden hat, das Klappbett zu nehmen. Bei mir wäre es garantiert zusammengebrochen.«
»Er ist nicht aufgewacht?«
»Er spielte gefällte Eiche, und was habe ich ihn verabscheut für seine Fühllosigkeit!« sagte Frieth ironisch. »Das kennen Sie doch sicherlich: der Unglückliche möchte in seinem Leid nicht alleine sein.«
Wenn das ein Versuch war, seinem Freund ein Alibi zu ver-schaffen, dann war Frieth wesentlich schlauer, als er wirkte.
Alec beschloß jedoch, ihm in dieser Sache Glauben zu schenken. »Was machte Sie denn so unglücklich?« erkundigte er sich.
»Na ja, unglücklich ist vielleicht übertrieben. Ich war ein bißchen verärgert, daß DeLancey Bott so schlecht behandelt hat. Als Mannschaftskapitän hätte ich in der Lage sein müssen, dieses Hickhack zu beenden, insbesondere, weil wir da-durch aus dem Thames Cup herausgeflogen sind. Und dann waren da noch die üblichen Zukunftsängste, weil ich mich entscheiden muß, ob ich noch ein weiteres Jahr in Oxford bleibe oder ob ich mir irgendwo eine Stelle suche, die genü-
gend abwirft, damit Tish und ich davon leben können.
Schließlich werde ich auch nicht jünger.«
»Wie alt sind Sie denn jetzt, fünfundzwanzig?« fragte Alec einigermaßen streng. »Vor Ihnen liegen noch dreißig oder vierzig Berufsjahre. Wollen Sie die mit einer Arbeit verbringen, die Ihnen keinen Spaß macht?« Du liebe Zeit, sich in das 180
Privatleben anderer Leute einzumischen war doch eigentlich Daisys Stärke – es war wohl ansteckend! Er zuckte mit den Schultern. »Das ist Ihre Sache. Sie haben sich keine Sorgen gemacht, daß Bott etwas mit dem Boot anstellen könnte?«
»Das war doch ausschließlich DeLanceys Wahnvorstel-
lung«, schnaubte Frieth auf, »egal, was die anderen behaupten. Ich habe es Tish gesagt: wenn Bott etwas dergleichen getan hätte, dann hätten doch alle genau gewußt, wer es war.
Zugegeben, er ist nicht gerade beliebt, aber damit hätte er sich wirklich den Ruf verdorben, und zwar nicht nur in Oxford.
Jede Menge Mannschaften aus Cambridge nehmen an dieser
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