Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser
Nachhut.
Alec griff sich hastig die in die Wolljacke gewickelte Pistole, stieg auf den Landesteg und half Daisy aus dem Boot. Glücklicherweise war ihr leichtes Sommerkleid soweit getrocknet, daß es nicht mehr so unanständig an ihr klebte.
Während Piper, Rollo, Leigh und Meredith gemeinsam
Bott auf den Landesteg hievten, reichte Alec die Mauser diskret an Tom Tring weiter. Der Sergeant schlug die Waffe in 205
sein eigenes, gepunktetes Taschentuch ein und ließ sie in die großräumige Tasche seines lebhaft blau- und weißkarierten Jacketts gleiten.
»Mr. Cheringham hat Mr. Gladstone losgeschickt, um
Bister zu wecken. Er soll das Automobil von Lady Cheringham starten, Chief. Jetzt ruft er gerade im Krankenhaus an, damit die sich vorbereiten können. Er hat nichts gesagt, nur, daß es Mr. Bott schlechtgeht.«
»Das erkläre ich Ihnen alles im Auto, Tom.«
»In Ordnung, Chief. Und was ist mit dem hier?« Er klopfte sich auf die Tasche.
»Das nehmen Sie mit. Und holen Sie bitte dafür Ihr Lieblings-Arbeitszeug.«
»Verstanden, Chief.«
Während Tom zurück ins Haus eilte, fragte Daisy: »Hat er denn schon die Patscherchen von Lord DeLancey, um die miteinander zu vergleichen?«
»Nein. Wir müssen die noch irgendwoher besorgen.«
Sie wandten sich zu den anderen. Piper zog sich gerade die Jacke aus und sagte: »Mit zwei Jacken und zwei von den Paddeln … von den Rudern da kann man eine Tragbahre bauen.«
»Prima Idee«, sagte Rollo und legte seinen Blazer ab, während Meredith und Leigh ein paar Ruder besorgten.
Sanft wurde Bott von den Planken auf die Notbahre gehoben, und zum zweiten Mal in diesen Tagen machte sich eine Prozession zum Haus auf. Immerhin lebte die Person auf der Bahre diesmal noch. Noch.
»Wie stehen denn die Aussichten für Bott?« fragte Daisy Alec, während sie hochgingen.
»Wenn er jetzt medizinisch gut versorgt wird, wird er die Sache sicherlich durchstehen. Aber bei Menschen, die fast ertrunken sind, kann noch vieles schiefgehen. Nicht nur mit ihren Lungen, sondern auch mit dem Herzen oder mit dem Gehirn.
Ich hatte schon ein paar Mal mit solchen Unfällen zu tun. Dann kommt noch der Blutverlust dazu. Und die möglichen Folgen von Kopfverletzungen haben wir ja gerade erst erlebt.«
206
»Stimmt.« Daisy schauderte, obwohl der Morgen schon
recht warm war.
»Du gehst jetzt hoch und ziehst dich um«, ordnete Alec an.
»Ich möchte nicht, daß du auch noch eine Lungenentzündung riskierst. Reicht mir schon, wenn Bott das tut.«
»Mir geht es bestens.« Daisy hatte nicht im geringsten vor, mit einem Kleiderwechsel Zeit zu verschwenden. Denn auf Bulawayo bliebe sie nicht. »Fährst du mit ins Krankenhaus, oder wirst du erst Lord DeLancey befragen?«
»Ins Krankenhaus. Als erstes muß ich dort für einen Wachposten sorgen.«
»Bott könnte doch in seinem Zustand gar nicht weglaufen, selbst wenn er das wollte.« Sie hielt am Fuß der Treppe entsetzt inne. »Ach so, du glaubst, Lord DeLancey könnte es noch einmal versuchen?«
»Sehr unwahrscheinlich, würde ich sagen, aber man kann es nicht ausschließen. Außerdem muß ich mir vom Arzt eine Prognose geben lassen. Wenn ich großes Glück habe, wird sich Bott vielleicht schon erholen und mir etwas erzählen, womit ich DeLancey konfrontieren kann.« Alec schmiedete offenbar im Reden Pläne. »Wenn nicht, bleibt Tom bei ihm.
Er kann eine Aussage aufnehmen, wenn er eine macht, und gleichzeitig Wache stehen.«
»Miss Hopgood wird gerne bei Bott sein wollen.«
»Du liebe Zeit, die hatte ich ganz vergessen. Ein hysterisches Weibsstück ist das letzte, was ich jetzt brauchen kann.«
»Susan Hopgood ist keine, die hysterische Anfälle erleidet.«
»Meinetwegen. Aber wäre es trotzdem nicht besser, wenn sie nichts von dieser Sache erfährt, ehe Bott wieder bei Be-wußtsein ist?«
»Oder ehe er gestorben ist? Nein«, sagte Daisy mit fester Stimme. »Bister kann sie abholen. Und Bott wird eine Familie haben, die informiert werden muß.«
»Nicht, ehe ich nicht genauer weiß, was hier gespielt wird«, sagte Alec mit der gleichen Festigkeit, während sie im Ge-207
folge der Bahre und ihrer Träger ins Haus traten. Mit lauter Stimme gab er Anweisungen: »Tragen Sie ihn bitte in die Eingangshalle, Frieth, daß wir ihn gleich ins Automobil verlegen können, sobald das vorfährt.«
Wells und Poindexter standen im Flur und versuchten,
mehr aus dem bewußt wortkargen Cherry herauszubekom-
men, als die Tatsache, daß Bott verletzt
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