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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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erzähle, worum es geht.
    Und Manuel sagt: »Das mit dem Abstand hast du immer noch nicht geschnallt, was?«
    Das lässt mich stocken, meine Tränen versiegen augenblicklich. »Doch«, entgegne ich wütend. »Abstand nehmen kann ich sehr gut.«
    Damit lege ich auf. Ich weiß nicht genau, warum es mich so wütend gemacht hat. Wahrscheinlich hat er es nicht böse gemeint, es war nur gedankenlos. Vielleicht war meine Wut eher generell und musste sich einfach Luft machen? Egal – ich beschließe, Manuel erst mal nicht anzurufen, um mich zu entschuldigen. Soll er sich doch melden.
    Am nächsten Tag, als ich Frau Klein einen neuen Blumenstrauß ans Bett stelle, ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass ich nicht mehr so viel Geld für Blumen ausgeben sollte, die keiner sieht. Jäh werden in meinem Kopf Manuels Worte wiederholt. Das ist dann wohl der Abstand, den ich nach Ansicht aller Welt bekommen soll. Ich will ihn nicht haben.
    Von Manuel kommt den ganzen Tag keine Meldung, nichtmal eine SMS. Wahrscheinlich ist er beleidigt. Aber diesmal bin ich eisern. Ich habe beschlossen, dass es nichts gibt, wofür ich mich entschuldigen muss, und dass ich bei unserem Kräftemessen nicht mehr immer klein beigeben möchte. Blöd für Manuel, dass ich das nun ausgerechnet in einer Situation beschließe, in der er sich mit seiner Bockigkeit sicher im Recht fühlt. Blöd für mich, wenn er bis zum übernächsten Jahr durchhält – und sich unterdessen mit einer anderen Freundin unterhält. Spätestens übermorgen ruf ich ihn an.
    Jenny beginnt den Mittwoch mit einem großen Opfer: Sie hat sich zum Bäcker gequält. Eigentlich haben wir gar keine Zeit, ausufernd zu frühstücken, aber Jenny besteht darauf, dass Isa sich mit Obstkuchen vollstopft. »Du brauchst eine Grundlage!«, bestimmt sie energisch.
    Jenny will Isa für die Fallbesprechung präparieren; Isa soll ausreichend mit Zucker und Kohlenhydraten versorgt sein, damit sie nicht vor Aufregung in Ohnmacht fällt. Doch über diese Befürchtung muss Isa lachen.
    Â»Ich hab keine Angst vor der Fallbesprechung! Nur davor, dass ich wegen dieser Völlerei noch vor der Besprechung einschlafe.«
    Jenny ist sprachlos. Klar, sie ahnt ja nichts davon, wie Isa ihre Chefarzt-Angst und Sprech-Hemmung überwunden hat. Isas Mut muss ihr wie ein Wunder vorkommen. Jenny ist begeistert und kann aus Isas Wandlung nur einen Schluss ziehen: Es muss ihr Verdienst sein.
    Â»Das habe ich gehofft!«, strahlt sie. »Dass ein bisschen von meinem Selbstbewusstsein auf dich abfärbt!«
    Isa lächelt. Na ja, Jenny meint es natürlich ganz anders – aber im Grunde stimmt es irgendwie doch.
    Isas Fallbesprechung läuft hervorragend. Sie stellt souverän ihren Patienten vor und manövriert sich sicher durch die Fragerunde. Ich, die ich sonst immer gern Fragen stelle, bin heute etwas gehemmt. Denn Dr. Thalheim lehnt an der Wand neben meinem Tisch und ich habe die ganze Zeit das Gefühl, er liest meine Notizen mit. Ich ertappe mich dabei, dass ich meine Mitschriftmit dem Arm verdecke wie eine neiderfahrene Zweitklässlerin. Als Dr. Ross die Fallbesprechung nach ein paar lobenden Worten an Isa beendet, tritt auch Dr. Thalheim zu meiner Freundin und lächelt ihr zu.
    Â»Sehen Sie«, sagt er, »Sie können es. Nun haben Sie auch vor dem Chef keine Angst mehr, oder?«
    Isa, für die es trotz aller neuen Courage definitiv zu viel ist, vom Oberarzt persönlich angesprochen zu werden, schüttelt den puterroten Kopf.
    Â»Ihre Vorgesetzten wollen Sie nämlich nicht immer nur bloßstellen«, setzt Thalheim hinzu. Und schaut ausgerechnet mich an. Klar, mein peinlicher Notizenversteckreflex ist ihm natürlich nicht entgangen. »Aber bevor Sie Ihre Aufzeichnungen verleihen, korrigieren Sie sie lieber – ›autochthon‹ haben sie meistens falsch geschrieben.«
    Super, Lena. Wo machst du dich denn mal nicht zum Gespött?! Und ich wusste, er hat mitgelesen!
    Â»Tut mir leid«, sage ich schnippisch. »Ich leihe Ihnen meine Aufzeichnungen nicht.«
    Er lacht mich an und entschuldigt sich. Und meine unverbesserlichen Freundinnen werfen sich vielsagende Blicke zu.

A m Donnerstagmorgen habe ich ein Gefühl von Zukunft. Als ob etwas, worauf ich sehr lange gewartet habe, unmerklich eingetreten ist. Es gibt überhaupt keinen Grund, anzunehmen,

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