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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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konnte. Was die Karten gekostet haben, verrät Jenny nicht.
    Â»Du könntest sie sowieso nicht bezahlen«, sagt sie. »Keiner von uns.« Aber sie erhöht das Kaffee-ans-Bett-Bringen auf drei Wochen. Mir soll es recht sein. Alles soll mir recht sein. Ich freu mich auf den Abend wie ein Kind.
    Â»Muss ich ein Hemd anziehen?«, fragt Manuel. Kein Danke, keine Spur von Begeisterung. Er wird nur mitgehen, um mir einen Gefallen zu tun. Falls er kein Hemd anziehen muss. Sonst würde er doch lieber in seine Kumpel-Bar gehen, wie immer. Würde er ohnehin am liebsten. Müssen wir da hin? Meine Begeisterung schwindet. Nein. Müssen wir nicht. Ich verabrede mich mit ihm – ohne Show. Aber nicht in der Bar. Sondern bei ihm zu Hause.
    Als ich Isas Zimmer betrete, sitzt sie auf dem Bett und ist schon wieder umgeben von unzähligen Lehrbüchern und Notizen. »Isa, falls es irgendwie an dir vorbeigegangen ist: Deine Fallbesprechung hat schon stattgefunden. Und sie ist super gelaufen«, sage ich, doch sie schaut mich nur mit großen Augen an und antwortet: »In vier Wochen ist Probeexamen.«
    Ich weiß, Isa. Und ab morgen werden wir wieder lernen und fluchen und meinetwegen auch die Nächte vor den Büchern verbringen. Aber verschon uns doch nur noch heute.
    Â»Du hast heute keine Zeit zum Lernen«, sage ich. »Du hast ein Date.«
    Isa braucht einen Moment, um zu begreifen, dass die Karten, die ich auf ihr bunt markiertes Lehrbuch lege, echt sind. Sie kann es nicht fassen.
    Â»Dinnerkarten«, sage ich. »Matt Damon hat keine Zeit.«
    Isa springt mir um den Hals. Dann stockt sie. »Da muss ich … dann müsste ich …« Sie zögert. Ich weiß, was sie begrübelt. Tom. Also stimmt meine Vermutung, dass die beiden noch nicht wieder gut miteinander sind.
    Â»Er weiß Bescheid«, sage ich. »Er holt dich um halb acht ab.«
    Isa strahlt ungläubig und ich fühle mich wie die gute Fee. Natürlich habe nicht ich Tom angerufen. Das hat Jenny übernommen. Ich fand, das war sie Isa nach dem großen Streit schuldig. Und ich musste Jenny nicht überreden. Trotz ihres Narzissmus – oder vielleicht auch ein wenig deswegen – liebt sie es, anderen Leuten Geschenke zu machen. (Ich hoffe nur, dass sie ihn wirklich für halb acht bestellt hat, bei Kleinigkeiten ist Jenny immer ein wenig nachlässig.)
    Während Isa sich kopfüber in Jennys Kleiderschrank stürzt, mache ich mich auf den Weg zu meiner eigenen Verabredung. In der S-Bahn komme ich noch einmal kurz ins Schwanken. Ist es richtig, was ich vorhabe? Bin ich wieder zu kritisch, mache ich einen Fehler? Ein Pärchen verabschiedet sich am Bahnhof Alexanderplatz. Sie küssen sich, bis sich die S-Bahntür unbarmherzig schließt. Sofort klingelt das Handy der Frau; offenbar ist ihr Geliebter dran. »Ich vermisse dich auch schon«, sagt sie leise und es klingt nicht kokett oder überdreht, sondern ganz ehrlich. »Bis heute Nacht!«, flüstert die Frau und ich denke bei mir, dass ich so eine Sehnsucht gar nicht kenne, die es nicht bis heute Nacht aushält. Es ist schon sieben, sie trennen sich doch höchstens für vier Stunden! Dann denke ich an Isa, ihre strahlende Vorfreude,ihre fieberhafte Verliebtheit. So was habe ich einfach nicht. Und ich glaube, dass ich doch das Richtige tue.
    Manuel hat nicht damit gerechnet. Ich muss mehrmals wiederholen, dass es mir nicht um die blöde Show geht. Auch nicht um seine Freunde, Janine und die Fitnesszwillinge oder seine Bar. Nicht mal darum, dass er sich nicht einmal mir zuliebe dort wegbewegen möchte. Nur um uns beide. Es passt nicht. Manuel ist enttäuscht, irgendwie sauer. Doch das macht es mir eher leichter.
    Â»Ist es, weil ich kein Arzt bin?«, fragt er. Aber das ist es nicht. Ich will keinen, der Arzt ist. Nur einen, der sich dafür interessiert, dass ICH Ärztin bin. Der mal fragt, wie es mir geht. Ich weiß nichts mehr zu sagen, irgendwann sind die Worte alle. Ich stehe auf und gehe heim.
    In der S-Bahn kommt noch ein kurzer Reue-Moment. Wie dumm, Lena. Du hattest jemanden, der dich toll fand – auf seine Art –, der dich geküsst hat und herrliche Locken hatte. Jetzt hast du wieder niemanden mehr. Am Alexanderplatz kommen mir die Tränen. So wie das Pärchen, das sich nachher hier wiedertrifft, werde ich nie sein. Das Selbstmitleid hält bis zum Ostbahnhof.

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