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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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Dann setze ich mich aufrecht hin und denke mir, dass eine moderne Frau von einem Mann vielleicht doch etwas mehr erwarten darf als nur herrliche Locken. Und kurz vor dem Ostkreuz zwickt mich der kleine Teufel in die Magengegend und flüstert: »Vielleicht hast du vorhin gelogen, Lena … und träumst sehr wohl von einem Arzt.« Ich steige lieber schnell aus.
    Im Treppenhaus begegne ich dem Nachbarn von oben, den ich seit unserer Einweihungsparty nicht gesehen habe – und daher nur im Schlafanzug kenne. Er grinst mich an. »Na?«, sagt er. »Bei euch wird ja jahr nich mehr jefeiert!« Ich lächle zurück.
    Â»Doch«, antworte ich, »bei uns wird wieder gefeiert. Verlass dich drauf!«
    Jenny sitzt in der Küche vor ihren Lehrbüchern. Irgendwie immer noch ein ungewohnter Anblick. Sie lacht mich an. »Hey, in vier Wochen ist Probeexamen!« Ich setze mich zu ihr und entdeckeerleichtert, dass sich meine lebensfrohe Freundin doch nicht gänzlich in einen Streberfisch verwandelt hat. Neben dem Lehrbuch steht ein rosafarbener Drink und unter dem Tisch entspannt Jenny ihre Füße in einem Massagebad.
    Â»Günstige Kombination«, lobe ich und Jenny grinst.
    Â»Zu meinem Date nachher will ich Stilettos tragen. Aber während ich meine Füße entspanne, kann ich mir doch ruhig ein bisschen Infektiologie einpauken.« Ich finde das absolut einleuchtend.
    Als ich mich zu Jenny setze, schiebt sie das Buch beiseite und fragt nach Manuel. Warum sollte ich sie anlügen? Ich erzähle ihr, dass ich mich getrennt habe. Na, so richtig zusammen waren wir ja eigentlich auch nicht. »Wir werden uns nicht mehr treffen«, ist eigentlich alles, was man sagen kann. Es ist keine Trennung im Liebeskummer- oder Beziehungsstress-Sinne. Einfach ein Nichtmehr-Sehen. Traurig genug.
    Jenny reicht mir ihren Drink. »Das hast du richtig gemacht«, sagt sie. »Außer seinem Lächeln und den schönen Haaren hatte er ja wohl nicht so viel zu bieten.«
    Ich nehme einen tiefen Schluck von ihrem Drink. Wie gut, wenn man Freundinnen hat. Die so recht haben. Jenny nimmt mich in den Arm und ich lehne mich an ihre Schulter – und dann heule ich noch ein bisschen, aus purem Selbstmitleid.
    Isa kommt spät und ihre Augen funkeln. Sie fällt uns um den Hals und schwärmt selig von ihrem grandiosen Abend. Ich frage, doch ein klein wenig neidisch, nach der Show. Stimmt es, dass sogar Leoparden dabei sind?
    Â»Ehrlich gesagt«, Isa sieht mich schuldbewusst aus großen Augen an, »daran erinnere ich mich nicht so richtig …«
    Oh Mann, die Liebe. Ich frage lieber nicht mehr nach. Isa plappert munter weiter. Ob wir meinen, dass sie mit Tom am Wochenende an die Ostsee fahren sollte? Als Überraschung?
    Â»Wenn du ihn eine Weile behalten willst«, sagt Jenny gutmütig, »verschreck ihn nicht mit Spontaneität!«
    Isa schüttelt schnell den Kopf. »Vergiss, dass ich gefragt hab«,sagt sie eilig. »Bitte gib mir niemals Ratschläge. Ich versuche doch zu vergessen, dass er vor mir Frauen wie dich kannte.«
    Jenny lächelt. »Ach, Süße«, sagt sie sanft. »Das hat ER schon längst vergessen.«
    Ich sitze zwischen meinen Freundinnen und sehe glücklich von einer zur anderen. Wer ist jetzt die Eifrige und wer die Temperamentvolle? Wo ist das Mauerblümchen hin und wo die Tagediebin? Würde ich die beiden heute kennenlernen, würde ich sie nicht mehr so einfach in Schubladen verstauen können. Wäre spannend, mal von außen zu sehen, wie viel von ihnen auf mich abgefärbt hat. Ich gieße unsere Gläser noch einmal mit Jennys klebrigen rosa Drinks voll. Denn eine Sache steht fest und muss begossen werden: Trotz all der Höhen und Tiefen der letzten Wochen – das erste Tertial haben wir fast geschafft. »Prost, Mädels!«, sage ich. »Auf die Zukunft der Ärztezunft!«
    Â»Auf die Zukunft!«

V ier Wochen sind vergangen. Der Herbst ist mit voller Wucht in Berlin eingefallen und treibt Blätter und Plastiktüten über die Straßen. Die Stadt wird von Tag zu Tag hässlicher. Doch ich will dankbar sein, bis jetzt hat sie sich mir immer von ihrer zwar großschnauzigen, aber herzlichen Seite gezeigt. Wenn ich jetzt aus dem Damenwaschraumfenster sehe, kann ich mir schon vorstellen, wie der Potsdamer Platz im Schnee aussehen wird.
    Inzwischen habe ich mich so eingelebt, dass ich

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