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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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dass dieser Tag ein schöner, sonniger oder glücklicher werden könnte – der Herbstanfang ist trübe und es ist Donnerstag. Aber ich stehe mit einer kribbeligen Vorfreude auf, als sei es mindestens mein Geburtstag.
    Bei der Visite lässt Dr. Ross Isa den Vortritt ins Zimmer 16 und nickt dem Patienten nur knapp zu. »Ab heute betreut meine junge Kollegin Sie allein. Aber Sie sind in besten Händen.«
    Â»Ich weiß«, sagt der ältere Herr und lächelt Isa vertrauensvoll an.
    Ich habe Isa noch nicht gratuliert, als plötzlich die Sonne hervorbricht und sich alles ändert. Dr. Thalheim eilt über den Gang und ruft in meine Richtung: »Kommen Sie!« Ich bin verwirrt, er ist schon weitergehastet und fragt ungeduldig über die Schulter: »Worauf warten Sie denn?!« Ja, da folgt man doch. Ich stolpere hinter dem Oberarzt her und habe gar kein Gefühl, was mich erwartet. Thalheim schlägt den Weg zur Intensivstation ein. Mir wird schlagartig kalt. Wie kann sich ihr Zustand noch verschlechtert haben? Es gibt nur eine Möglichkeit. Mein Herz krampft sich zusammen. An der Tür zur ITS dreht Dr. Thalheim sich um und sein Gesicht ist gar nicht trübe. Im Gegenteil; er hält mir die Tür auf und dann lächelt er und sagt: »Ich benutze natürlich niemals das Wort ›Wunder‹.«
    ICH benutze das Wort. Denn ein Wunder ist es in meinen Augen. Eines, auf das ich nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Frau Klein ist aufgewacht. Nach über einer Woche. Sie ist unfassbar dünn geworden und kann noch nicht sprechen, obwohl der Beatmungsschlauch entfernt wurde. Aber sie ist wach und der Kreislauf stabilisiert sich. Dr. Thalheim sieht mich an und ein herzliches Lächeln breitet sich über sein Gesicht. Man kann mir mein Glück wohl ansehen.
    Â»Wissen Sie was, Fräulein Weissenbach?«, sagt er. »Ich wünschte mir gerade, ich hätte das eigenhändig für Sie arrangiert.«
    Er tätschelt Frau Klein den Arm und verlässt das Zimmer. Sein Aftershave überdeckt für einen Moment den Krankenhausgeruch, als stünde er immer noch neben mir.
    Ich bleibe eine Stunde bei Frau Klein sitzen. Ich sage nicht viel, um sie nicht zu überanstrengen und sie schläft bald ein. Ich sehe ihr beim Schlafen zu, die Atmung ist flach, aber regelmäßig. Schwester Hanna, die diese Woche endlich die ersehnte Tagschicht hat, kommt zu mir herein und sagt in ihrer herzlichen, naiven Art: »Sehen Sie, dafür lohnt sich dann wieder alles.« Ich könnte sie umarmen. Ich weiß, Frau Klein hat es noch lange nicht überstanden. Aber ich bin jetzt völlig überzeugt, dass sie es schaffen wird.
    Weil ich so glücklich bin und eigentlich gar nicht mehr weiß, warum ich Manuel so lange nicht gesehen habe, beschließe ich, am Wochenende etwas Besonderes mit ihm zu unternehmen. Am liebsten etwas, das mir das Gefühl gibt, dass wir doch gut zusammenpassen. Jenny rät zu einer Show, die am Potsdamer Platz gezeigt wird. Spektakuläre Artistik, Comedy und Musik – und total angesagt. Meinen Einwand, dass Manuel vielleicht nicht auf so was steht, schmettert Jenny mit der Beteuerung ab, jeder würde die Show lieben. Entschlossen, den perfekten Abend zu kreieren, der mir ein wohliges Paargefühl geben soll, durchforste ich die Ticketanbieter. Vergeblich. Es gibt nur Karten für morgen – in einem Jahr. Jenny lacht. Das ist ja einer der Hauptanziehungspunkte der Show. Dass normale Menschen niemals Kartenbekommen. »Aber wenn du ihn wirklich liebst«, lächelt sie, »dann erfüllt dir die gute Fee diesen einen Wunsch und reißt zwei Tickets für dich auf.«
    Ich habe Jenny gewaltige Gegenleistungen versprechen müssen: zwei Wochen morgendliches Kaffee-ans-Bett-Bringen und dass ich nie mehr schimpfe, wenn sie laut Musik spielt, während ich lerne. Das wird mich noch teuer zu stehen kommen, Jenny wird es gnadenlos ausnutzen. Aber sie hat nicht zu viel versprochen. Schon am nächsten Tag legt sie mit triumphierendem Lächeln die Karten auf den Tisch. Und nicht irgendwelche: Jenny hat sogar Dinnerkarten.
    Â»Es gab nur noch Notfall-VIP-Tickets«, grinst sie. »Du weißt schon, falls plötzlich Matt Damon kommt und in die Show will. Für solche Notfälle gibt es immer noch Plätze. Dinner inklusive. Stars wollen immer mit Essen.«
    Ich bin sprachlos. Das ist noch toller, als ich es erhoffen

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