Miss Emergency
Haus? Sitzgruppe mit Fernsehsessel, so einer, bei dem man das FuÃteil höher stellen kann. Couchtisch, Einbauschrank mit Vitrinen, Fernseher.«
Ich starre ihn ungläubig an. Genau das, was ich grade gedacht hab. Nur den Fernsehsessel hab ich vergessen, dafür war ich schon beim Programmheft. Direkt unheimlich. »Und die Küche?«, frage ich.
»Hm.« Er überlegt. »Hellbraun-gelb gemusterte Bodenfliesen. Arbeitsfläche aus Kunststoff mit dieser Pseudo-Marmormaserung. Ein Häkeldeckchen auf dem Fensterbrett, darauf eine Vase mit orangefarbenen Stoffblumen.«
Er hat recht. Er hat absolut recht. Womit ich natürlich meine, dass er dieselben Bilder sieht wie ich. »WeiÃe Kunststoff-Küchenschränke, lindgrüne Wandfliesen«, füge ich hinzu.
»Genau«, meint er zufrieden. »Und das WC â¦Â«
»Das ist dunkelgrün gefliest«, unterbreche ich ihn, »und das Klo hat eine dieser braunen Holzklobrillen â¦Â«
»Und der Deckel einen giftgrünen Plüschbezug«, fällt er ein. »Und so einen Vorleger mit dem halbkreisförmigen Loch.«
»Und die Reserveklopapierrollen stecken auf einer Holzstange, die ein lustiger kleiner Keramikelefant festhält.«
»Passend zu dem anderen lustigen kleinen Keramikelefanten, der mit wissendem Blick die Klobürste versteckt!«
»Exakt!«
Wir müssen beide lachen.
Er sieht mich an. »Hast du Zeit für einen Kaffee?«, fragt er dann.
»Ich ⦠na ja â¦Â« Warum will er mit mir Kaffee trinken?
Und warum nicht , fragt eine kleine Stimme in mir drin. Warum kann es denn nicht sein, dass er die Unterhaltung eben genauso witzig gefunden hat wie du?
»Ich bin ziemlich ungefährlich«, fügt er hinzu und hebt wie zum Beweis die Hände, dreht die verblüffend hellen, offenen Handflächen hin und her. »Ich handle nicht mit Drogen, stehle keine Handtaschen und meine Voodoo-Fähigkeiten sind auch begrenzt.«
»Nein, nein«, sage ich hastig, »es ist nicht, weil du schwarz bist â¦Â« Verdammt, jetzt hab ich schon wieder so was Blödes gesagt.
Aber sein Lächeln wird sogar noch eine Spur breiter. »Sondern?«
Sondern weil ich so dick bin, würde ich am liebsten sagen. Weil sich jeder, der uns sieht, fragen wird, warum du dich mit mir abgibst. »Kein Sondern«, sage ich stattdessen. »Ich hab noch Zeit.« Ich muss nur irgendwann unauffällig meine Mutter anrufen, dass ich später komme. Am besten verzieh ich mich dazu auf die Toilette. Keine Lust auf Fragen, warum ich mit achtzehn noch über jeden Schritt Mama und Papa informieren muss. Aber was sollâs â siemachen sich nun mal Sorgen. Späte Eltern, Einzelkind und so weiter.
»In welches Kaffeehaus gehst du am liebsten?«
Ich zucke nur mit den Schultern. SchlieÃlich kann ich schlecht zugeben, dass ich in meinem Wohnzimmer so gut wie nie was konsumiere. Er wartet nicht ab, bis ich mich entscheide, sondern nimmt mich wie selbstverständlich am Ellbogen und steuert auf das Café Halle zu.
Eine knappe Stunde später weià ich, dass er Marcus mit »c« heiÃt, Marcus Mepié. Sein Vater kommt aus Côte dâIvoire und ist Experte für Internationales Wirtschaftsrecht bei den Vereinten Nationen. An der Uni hält er zu dem Thema Seminare. Eigentlich wollte er damals nur für ein Jahr eine Assistentenstelle, doch dann hat er Marcusâ Mutter kennengelernt und ist geblieben. Originellerweise ist auch seine Mutter nicht von hier, sondern halb Senegalesin, halb Französin und in Wien gelandet, weil ihr Vater Diplomat ist â mittlerweile im Ruhestand. Sie unterrichtet Französisch an der Vienna International School, die Marcus auch besucht hat. Und seinen Namen hat sie ausgesucht, weil man den in seinen beiden afrikanischen Herkunftsländern ebenso kennt wie in Frankreich â da macht man dann einfach »Marc« daraus â und hier in Ãsterreich, wo Marcus ja geboren und aufgewachsen ist.
Wahnsinn, was für ein Background. Mehrsprachig, multikulturell, superintellektuell und offenbar auch noch ziemlich wohlhabend, nach allem, was ich so rausgehört habe. Marcus selbst ist zwanzig und studiert Jus, also Rechtswissenschaften. »Das war eigentlich immer klar«, sagt er mit einem Stirnrunzeln und einem kleinen Schulterzucken, das eine Spur von Bedauern andeutet â obwohlihn
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