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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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und sich nach der behaglichen Kleinstadt gesehnt. Ich bin überrascht, dass die scheue Isa sich so freimütig einem Fremden anvertraut – vielleicht eine Überdosis Chips und Schoki? Als wir in der Küche untersuchen, ob wir irgendwelche Partyreste übersehen haben, die wir dem fleißigen Tom anbieten könnten, kann ich nicht an mich halten und mache eine Anspielung auf Isas plötzliche Aufgeschlossenheit. Isa lächelt. Und gesteht mit rotem Kopf, dass ihr Tom so leidtut, dass sie gar nicht auf die Idee gekommen ist, sie könnte ihn langweilen oder sich blamieren.
    Â»Weißt du«, sagt sie verlegen, »der kommt mir noch viel bemitleidenswerter vor als ich …«
    Ich muss grinsen. Es stimmt schon, Tom wird von Jenny ziemlich ruppig behandelt. Aber als wir später bei den allerletzten Partyresten in der Küche sitzen, während die Waschmaschine behaglich einen Probelauf rumpelt, wirkt Tom gar nicht wie ein bemitleidenswerter, ausgenutzter Exfreund. Er erzählt von seiner Diplomarbeit und seinem Hobby – er spielt Fußball. Nur Jenny erwähnt er nicht. Isa und ich vermeiden das Thema daher ebenfalls, obwohl wir gerne etwas über die abrupt beendete Beziehung hören würden. Ich wüsste zu gern, ob es stimmt, was mir Jennys Freundinnen auf der Party gesteckt haben: dass Tom immer noch unsterblich verliebt ist und versucht, Jenny mit allen Mitteln zurückzugewinnen. Ist er deshalb heute hier, um sich unentbehrlich zu machen und seine Unkompliziertheit zu beweisen? Sitzt er immer noch in unserer Küche, weil er hofft, sie zu sehen?
    Irgendwann schaue ich zur Uhr und sage beiläufig: »Jetzt kommt Jenny sicher auch bald …« Böse Lena. Aber ich bin eben neugierig. Und, ja, ich hätte auch gern so einen bescheidenen und aufopferungsvollen Verehrer … Auch wenn meiner lieber mit Rosen vor der Tür stehen sollte als mit einem Waschmaschinenanschluss-Adapter. Mein Test geht nach hinten los. Tom tut erschrocken über die verplauderte Zeit und verabschiedetsich. Hat er Angst, dass Jenny ihr Date mit heimbringt? Oder fährt er eine langsamere Strategie à la »Ich bin unentbehrlich, aber ich dränge mich nicht auf, bis sie es selbst erkennt«? Wie dem auch sei, er geht. Isa und ich bedanken uns noch mal artig – und besprechen nach seinem Abgang hemmungslos alle Möglichkeiten. Isa findet meine Vermutung überzeugend. Tom weiß, dass er Jenny das Gefühl geben muss, nicht mehr an ihr zu hängen, damit sie sich wieder interessiert. Wir beschließen, den armen Jungen zu unterstützen, indem wir Jenny gegenüber Toms Freundlichkeit hervorheben.
    Doch als Jenny heimkommt, wirft sie nur einen kurzen Blick ins Bad und sagt »Na also!«. Unser übertriebenes Loblied auf Tom lächelt sie mit der Bemerkung hinweg, er sei eben ein zuverlässiger Geselle. Die nächste halbe Stunde schwärmt sie von dem englischen DJ, mit dem sie aus war. Unser Mitleid für den braven Tom steigt ins Unermessliche. Aber dass er mit einem Londoner DJ mit Dachgeschosswohnung und der aufregenden Mischung aus kühnem Draufgängercharme und britischen Manieren mithalten könnte, glaubt nicht mal die edelmütige Isa.
    Â»Das nächste Mal müsst ihr unbedingt mit!«, grinst Jenny. »Nichts entspannt besser vom PJ als ein Abend mit flotten Jungs.«

D er nächste Arbeitstag, die nächste Herausforderung. Nach einem behaglichen Sonntag, an dem wir letzte Hand an unsere Einrichtung gelegt haben, ich die alten Lübecker Freundinnen telefonisch mit meinen Berlin-Erlebnissen und meine neuen Berliner Mädels kulinarisch mit Mamas Kokossuppe begeistert habe, fühle ich mich erholt und gewappnet. Die neue Woche kann kommen. Aber – wie sollte es anders sein – die nächste Überraschung bleckt schon ihre Zähne.
    Der Montagmorgen beginnt mit der üblichen Blutabnahme-Pilgerfahrt – und ich wundere mich eigentlich erst, als ich den Wagen losschiebe, warum Schwester Klara heute so breit gelächelt hat. Freundlich? Überfreundlich! Irgendwie unangenehm. Habe ich etwas vergessen? Ich überprüfe den Wagen, zähle die Schälchen durch, kann keinen Fehler finden. Wer weiß, was in ihrem perfiden Hirn vorgeht … Ernsthaft misstrauisch werde ich erst, als ich Zeuge werde, wie die blöde Marie-Luise mit einem Buch in der Damentoilette verschwindet. Mit

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