Miss Emergency
leugnende Affinität zu Manuel ins Feld. (Bloà gut, dass ich von der Verabredung nichts erwähnt habe!) Ich höre den beiden eine Weile zu und beschlieÃe, Dr. Thalheims Entlassungs-Anordnung kommentarlos zu akzeptieren. Verabschieden werde ich michtrotzdem von Manuel â und dann kann ich ihn ja drauÃen wiedersehen. Ohne dass es jemanden interessieren darf. Ich fühle mich sehr erwachsen und sehe dem nächsten Tag gelassen entgegen. Sollen sie doch alle kommen!
Und das tun sie. Der Dienstag beginnt täuschend mit Rühreiern und »Guantanamera« in der S-Bahn â dargeboten von zwei Südländern, die mit der Sonne um die Wette strahlen. Nichts lässt mich ahnen, dass der Tag sich binnen weniger Stunden in einen Albtraum verwandeln wird.
Mein erster Weg führt zu Manuel. Na klar. Wenn das Dr. Thalheim erfährt, ist sein Vorurteil wieder bestätigt. Manuel hat schon von einer Schwester gehört, dass er heute gehen darf. Ich muss nur noch seinen Arztbrief schreiben, dann werde ich ihn offiziell entlassen. Manuel freut sich, endlich hier rauszukommen â aber ich glaube, ein wenig graut ihm auch vor den kommenden Tagen. Denn er muss Bettruhe halten und seine Mutter hat sich in den Kopf gesetzt, dass Manuel während der Rekonvaleszenz bei ihr wohnt. Manuel hat keine Lust, die nächste Woche unter Mamas Obhut zu verbringen, und schildert mir das geblümt-gerüschte Zepernicker Drei-Zimmer-Haus in den abstoÃendsten Farben. Dabei würden Manuels Freunde ihm gern an seinem eigenen Bett Gesellschaft leisten. Und der Pizzabote kommt heutzutage auch bis ans Bett ⦠Manuel glaubt, bestens allein zurechtzukommen, und will meine Meinung hören. Vielleicht denkt er, unser Treffen sei in Gefahr, wenn er nach Zepernick übersiedelt? Doch als ich ihn beruhigen will, bekomme ich eine typische Manuel-Abfuhr.
»Dir macht es vielleicht nichts aus, für 20 Minuten mit mir zwei Stunden zu fahren. Aber meine Freunde haben da sicher nicht immer Bock drauf!«
Aha. Sehr nett. Ich sage schnell, dass ich dann auch nicht komme. Arroganter Pascha!
»Sei nicht eingeschnappt!«, grinst Manuel. »Setz dich lieber noch ein bisschen zu mir. Immerhin sehen wir uns jetzt eine Woche nicht.«
Eigentlich würde ich das gerne tun. Natürlich geht es nicht.
»Ich kann nicht hier rumsitzen«, erkläre ich mit gradem Rücken.
»Wenn ich das bei allen Patienten täte, könnte ich gleich hier wohnen.«
Er lacht nur. »Aber mich magst du nun mal lieber als die anderen.«
Ich schüttle den Kopf. »Selbst wenn dem so wäre ⦠Solange du hier bist, haben auch wir nur ein Arzt-Patienten-Verhältnis.«
Manuel zwinkert mir zu. »Wenigstens gibst du zu, dass wir ein Verhältnis haben!« Super. Immer fällt ihm noch was ein.
Manuels fröhliche Behauptung, wir hätten ein Verhältnis, klingelt durch meinen Vormittag. Ich schreibe den ersten richtigen Arztbrief meines Lebens und Dr. Ross segnet ihn ab. Beim Mittagessen schwatzen wir alle drei wild durcheinander. Isa ist aufgeregt, heute bekommt sie ihren ersten Patienten zugeteilt und muss in Anwesenheit ihrer beiden Vorgesetzten die Eingangsuntersuchung machen. Jenny hat sich bereits eine Patientin gewünscht und fordert uns zum Daumendrücken auf. Zu unserer Ãberraschung hat sie sich um Paula Schwab beworben, die junge Frau mit dem Magenkarzinom. Ich habe groÃen Respekt. Isa hat Bedenken. Weià Jenny, was für eine psychische Belastung ein Patient mit möglicherweise tödlicher Diagnose ist? Jenny wehrt ab. »Ich bin nicht aus Zucker. Und da müssen wir doch alle durch.« Sehr abgeklärt. Aber natürlich hat sie recht. Bloà muss es ja vielleicht nicht gleich der ERSTE Patient sein â¦?
Jenny schmettert Isas Bedenken ab. »Ich will keinen Pipifax«, erklärt sie entschieden. »Ich will zeigen, was ich kann.«
Sie hat eine seltsame Art Ehrgeiz. Auch davor muss man sicher Respekt haben. Ich hoffe nur, sie weiÃ, worauf sie sich einlässt. Was sie will, weià Jenny auf jeden Fall mit eiserner Entschlossenheit. Und sie lässt sich von niemandem aufhalten.
Schwester Klaras Gesicht ist die reinste Leidensmiene. Sie sieht immer wieder herüber und beobachtet Jenny beim Essen und Schwatzen â doch heute erinnert sie sie nicht mehr vor allen an ihre Pflichten. (Ich an Klaras Stelle würde auch so
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