Miss Emergency
bieten und will die Stimmung nicht mit Paula Schwabs Schicksal oder meiner Sorge um Frau Klein herunterreiÃen. Lieber lasse ich das Krankenhaus heute mal auÃen vor. Vielleicht istes auch gut, die Ãrztin in mir nicht so stark an die Oberfläche kommen zu lassen, sie müsste den schönen Abend nämlich bald abbrechen. Manuel trinkt Alkohol und hat, wenn man es genau nimmt, viel zu viel Aufregung. Ich sage nur das mit dem Alkohol. Manuel stellt nach einem einzigen »Du kannst nicht mehr über mich bestimmen, Frau Doktor« brav den Wein beiseite. Und dann legt er den Arm um mich.
Ja, klar küssen wir uns. Es fühlt sich ja schon seit einer Stunde so an, als ob wir beide darauf warten. Und plötzlich ist es so weit. Manuel küsst ziemlich gut und seine Locken riechen nach Vanille.
Dann kommt die klassische Nach-dem-Kuss-Verlegenheit. Plötzlich ist man körperlich irgendwie so vertraut, aber die passenden Worte sind noch nicht geliefert worden. Man redet dummes Zeug und steigt dankbar auf die ebenso sinnlosen Bemerkungen des anderen ein â und findet sie meistens auch noch wunderbar. Am besten, man küsst dann einfach weiter; das idiotische Gebrabbel dazwischen lässt irgendwann nach, wenigstens in der eigenen küssereiverblendeten Wahrnehmung.
Nach der ausgiebigen Knutscherei ist alles irgendwie anders. Manuels Stimme ist sanfter geworden, der Spott ist verschwunden. Er wirkt ungewohnt verletzlich, als er gesteht, dass er nach der entfallenen Verabschiedung nicht mehr mit mir gerechnet hat.
»Dabei dachte ich doch, da ist was zwischen uns â¦Â«
»Diesen Eindruck habe ICH hoffentlich nicht geweckt«, rette ich mich in Albernheit.
Er sieht mich an, siegessicher. »Vom ersten Tag an war doch klar, was du willst. Dauernd kommst du in mein Zimmer ⦠dann der Teddy â¦Â«
Na, das war ja noch gar nicht bewiesen! Ich zerstrubbele Manuels Locken und weise den Teddy, der angeblich auf seinem Bett sitzt, weit von mir. Doch Manuel lässt sich nicht täuschen.
»WeiÃt du, Schätzchen â¦Â«, flüstert er, »ich habe nicht ALLEN erzählt, dass ich meinen Teddy vermisse.«
Pah, »Schätzchen«! »Ach weiÃt DU â¦Â«, kontere ich, »ich habe ihn gekauft, weil ich dachte, du stirbst.«
Nachdem die Teddyfrage geklärt ist, küssen wir noch eine halbe Stunde weiter, dann greift bei mir endlich die Vernunft. Vielleicht, weil Manuel mehrfach anbietet, ich könne den Teddy gern auf seinem Bett besuchen. Auf so was reagiere ich ein wenig allergisch â ich bleibe bestimmt nicht gleich über Nacht. Jedenfalls mache ich der Knutscherei schlieÃlich ein Ende und uns beiden klar, dass Manuel sich jetzt mal wieder schonen sollte. Und danach dauert es auch nur noch eine halbe Stunde, bis ich wirklich aufbreche.
Den ganzen Heimweg lege ich wie in einer Schaumwolke zurück. Die S-Bahn ist mein Segelschiff durch das nächtliche Lichtermeer. Ich komme nur kurz zu mir, als ein alter Mann mich um etwas Geld bittet, weil er noch keinen Schlafplatz für die Nacht hat. Ich kippe meine Börse aus und gebe ihm alles Geld, das ich bei mir habe. Es sind vielleicht 15 Euro, der Alte bedankt sich überschwänglich.
»Sind Sie bekloppt?«, fragt eine Frau, als der Alte ausgestiegen ist. »Der versäuft das doch an der nächsten Ecke!«
So eine blöde Kuh. »Neidisch?«, frage ich frech, dann hält sie den Mund. Mann, ich will doch bloÃ, dass heute Abend mal kurz alle glücklich sind.
Als ich heimkomme, sitzt Jenny in der Küche und trappelt regelrecht mit den FüÃen vor Neugier. Isa ist schon im Bett (ehrlich gesagt bin ich erleichtert, dass ich mich der Tom-Verwirrung jetzt nicht stellen muss), aber Jenny ist knallwach und freut sich schrecklich für mich. Sie findet Manuels Essenseinladung süà und mich sehr diszipliniert, weil ich nicht bei ihm übernachtet und mich so noch begehrenswerter gemacht habe. (Dass das nicht der Grund für meine Heimkehr war, ignoriert sie, sooft ich es wiederhole.)
»Na, wenigstens eine von uns hat Erfolg an der Liebesfront«, sagt Jenny melancholisch, nachdem ich zum dritten Mal im Detail die komplette Unterhaltung des Abends wiedergegebenhabe. (Ich kann nichts dafür! Wenn ich es nicht dreimal für Jenny nacherzähle, wiederhole ich es für mich selbst nachher im Bett noch fünfzigmal. Obwohl â das tue
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