Miss Emergency
bist. Und ein Hoch auf die Herren in Lübeck â um deren MaÃstäbe zu übertreffen, hätte ich mich also gar nicht so ins Zeug legen müssen!« Na, nun bin ich ja bald gespannt. Womit hat er sich denn ins Zeug gelegt? »Geh mal für einen kranken Mann in die Küche und zaubere einpaar Gänge Abendessen.« Er strahlt so, als er in Richtung Küche deutet, dass ich doch aufstehe.
Die Küche ist winzig und unaufgeräumt. Es ist fast eine Kunst, mit so wenig Equipment so viel Chaos zu produzieren â die offenen Regale verraten, dass es nur eine Grundausstattung an Geschirr gibt, alles steht aber wild um Mikrowelle und Kaffeemaschine herum, während in den Küchenregalen nur zwei Löffel und ein verwaister Topfdeckel verblieben sind.
»Kühlschrank«, ruft Manuel.
Der Kühlschrank ist verbeult und mit Magneten von Sportvereinen geschmückt. Als ich ihn öffne, erwarte ich ein halbleeres Senfglas und ein Sixpack Bier. Stattdessen finde ich bergeweise Köstlichkeiten in Schachteln und Schälchen, Tapas, Tortillas und Thaigerichte, ein fettes Kuchenpaket. Der Kühlschrank wirkt wie ein Schaufenster für »Mit dem Kochlöffel um die Welt«. Ich bin ein ganz klein wenig beeindruckt. Da es kein Tablett gibt, staple ich die erste Essensladung auf den einsamen Topfdeckel, trage sie ins Zimmer und lasse mich von Manuel für meine Kochkünste loben.
»Bist du nicht überrascht, was eine gute Hausfrau in so kurzer Zeit alles zaubern kann?«, frage ich stolz.
»Doch«, antwortet er. »Aber ich wusste ja, dass du eine Traumfrau bist! Kochkünste habe ich da selbstverständlich vorausgesetzt.«
Ich stelle die Schälchen auf den Couchtisch und lasse mir nicht anmerken, dass das Wort »Traumfrau« wie Badetablettensprudel meinen Rücken heraufkribbelt. Ich transportiere den ganzen Feinkostladen ins Wohnzimmer. Manuel verrät mir übrigens nicht, wie oder von wem er all die Fressalien in seine Wohnung schleppen lieÃ. Aber er reiÃt alle Verpackungen auf â angeblich, damit ich mich nicht geniere â und fragt, ob es in meiner kulturlosen Bruchbude keine Teller gebe.
»Saubere hab ich nicht«, albere ich zurück. »Ich liege hier seit Tagen völlig vereinsamt rum und mein einziger Zeitvertreib ist das Eindrecken und Verstecken von Geschirr.«
Manuel lächelt und antwortet: »Sei froh, dass du hier krank zu Hause liegst, sonst könntest du so ein attraktives Date nie in deine Bude locken.«
Mann, der flirtet aber heute! Als wir endlich vor dem überbordenden Tisch sitzen, trägt er noch ein wenig dicker auf: Er öffnet prophylaktisch Bier und Wein und Sekt â auch wenn wir uns entscheiden oder aus den Flaschen trinken müssen, weil er nur zwei Becher besitzt â und schaltet die Anlage an, die uns mit leiser Musik umspült. »Jetzt iss und trink bitte so viel, dass du auf meinem Sessel ins Koma fällst!«, sagt Manuel, als er mir zuprostet.
Der Abend wird richtig schön. Ich war so fest entschlossen, nach 20 Minuten zu gehen â nicht nur wegen der noch nicht ganz ausgeheilten Gehirnerschütterung, sondern auch, weil ich es wegen der permanenten Machtproben zwischen uns für klüger hielt, die Bekanntschaft nicht in zu groÃer Eigeninitiative zu vertiefen. (Immer unser lauerndes Abchecken â so kann man ja selbst bei den plattesten Flirts nicht sicher sein, wie es gemeint ist. Auf jeden Fall wollte ich nicht die sein, die plötzlich einen zu groÃen Schritt macht.) Egal, all die taktischen Vorüberlegungen sind blitzschnell über Bord gegangen. Nach zwei Stunden sitze ich immer noch hier. Nicht mehr im Sessel, sondern neben Manuel auf der Couch. Ich habe meine FüÃe über die Lehne gelegt, völlig entspannt, und wir quatschen und quatschen. Manuel erzählt von seiner Arbeit als Kurier, seinen seltsamsten Kunden und schrägsten Sendungen. Wenn man ihm glauben darf, hat er sogar schon mal für einen mutmaÃlichen Mafiaboss ein lebendes Huhn ausgeliefert. An einen Casinobesitzer, dessen Spielhölle eine Woche später geheimnisvollerweise dichtgemacht hat. Garantiert sind das nur Räubergeschichten. Aber er erzählt fesselnd und ich fühle mich bestens unterhalten.
Von meiner Arbeit erzähle ich lieber nicht. Manuel fragt nicht danach und ich hab keine äquivalenten fröhlichen Geschichten zu
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