Miss Emergency
ich sicher trotzdem.)
Ãber Isas Liebesleben möchte ich lieber nicht sprechen, doch Jennys Adelung meines Erfolgs durch Negation ihrer eigenen Wirkung kann ich nicht zulassen. Jenny aber schmettert meinen Einspruch ab.
»Guck uns doch an!«, spottet sie. »Isa trifft sich mit einem Langweiler mit Streberbrille, zu dem sie sich auf dem Klinikflur nicht mal bekennen will â und ich treffe überhaupt NIE einen netten Mann!« Der zweite Teilsatz ist so absurd, dass ich den ersten locker übergehen kann.
»Du triffst dich doch jede Woche mit einem anderen!«
»Eben!«, erwidert Jenny in ihrer eigenen unbezwingbaren Logik. »Wenn ich mal einen tollen Mann kennenlernen würde, müsste ich mich ja nicht jede Woche neu orientieren!« Sie schnieft und sieht mich mitleidheischend an. »Aber wenn mir dann einmal einer wirklich gefällt, passiert garantiert wieder irgendwas Dummes und ich verliere sein Auto.«
Marcus? Marcus aus dem Spätshop sollte der Richtige sein? Jennys Schilderungen klangen bis heute eigentlich nicht nach groÃer Liebe! Trotzdem bin ich natürlich voller Anteilnahme â und frage nur ein einziges Mal, ob Marcus wirklich auch dann der Mann für Jennys Leben wäre, wenn sie sein Auto wiederfinden und ihn ab heute tagtäglich treffen könnte. Ein schuldbewusstes Grinsen spielt um Jennys Mundwinkel.
»Weià ich nicht«, gibt sie zu. »Vielleicht will ich ihn echt nur, weil er gerade sauer ist und meine Anrufe wegdrückt.«
Diese plötzliche Offenheit gewinnt mein Herz. Ich verspreche Jenny hoch und heilig, dass irgendwann der Mann kommen wird, den sie auch dann noch liebt und achtet, wenn er ihr jeden Wunsch von den Augen abliest. Jenny muss lachen und wir beenden den Abend mit einem Erdbeerlikör und einer letzten Wiederholung von Manuels süÃesten Komplimenten. Ich kann gar nicht aufhören, von ihm zu sprechen.
D ie wahren Katastrophen kommen meist ohne Vorwarnung. Aber die erste Begegnung â oder besser Nicht-Begegnung â am Montagmorgen hätte mir eigentlich eine Warnung sein können. Ich wundere mich, warum Isa nicht aufsteht. Dass Jenny verschläft, kommt häufiger vor, sie wecke ich erst in einer Viertelstunde. Isa aber ist normalerweise ab sechs Uhr bei der Tagwerksvorbereitung. Ich öffne kurz vorhalb sieben Isas Zimmer. Auf dem Kopfkissen liegt Herold â Innere Medizin. Wahrscheinlich hat sie bis spät in der Nacht ihren Patientenfall vorbereitet. Doch der verschlafene Kopf neben dem Buch fehlt.
Das Buch auf dem Kissen ist entweder von gestern oder eine Finte; Isa ist nicht in ihrem Zimmer und nicht im Bad, ihre Schuhe sind nämlich auch weg. Mir fällt nur eine Erklärung ein: Isa hat bei Tom übernachtet. Bin ich etwa plötzlich die Sprödeste in unserer Runde? Ist zwischen Isa und Tom alles so klar? Oder hat Isa die Flucht nach vorn ergriffen, als gestern die Drohung im Raum stand, Jenny könnte sich wieder einschalten? Wie zur Hölle soll ich Jenny erklären, dass Isa nicht da ist? (Ich weiÃ, ich könnte auch abwarten, was Isa selbst als Erklärung anzubieten hat. Aber dann wird unser Mäuschen garantiert auffliegen. Oder ist sie viel gerissener, als ich denke?) Ich habe mich noch nicht für eine Strategie entschieden, als es an der Wohnungstür klappert und Isa vorsichtig den Kopf in den Flur steckt. Sie erschrickt ganz schön, als sie mich sieht.
»Ist es schon SO spät?«, fragt sie bestürzt.
»Halb sieben«, antworte ich und ihre Augen werden noch ängstlicher.
»Ist Jenny schon wach?«
Ich schüttle den Kopf â im selben Moment rumpelt es in Jennys Zimmer, die Diva erhebt sich. Isa hastet über den Flur in ihr Zimmer. Jenny schlurft ins Bad. Kaum hat sie abgeschlossen, öffnet sich wieder Isas Tür â das reinste Bauerntheater â und Isa kommt ohne Jacke und Schuhe heraus, als sei das ein ganz normaler Morgen. Ich ziehe sie in die Küche. Isa wirkt unsicher, aber sie behauptet wacker, sie habe bei Paul übernachtet und wolle bloà nicht von Jenny damit aufgezogen werden. Als ich sage, dass ich Bescheid weiÃ, ist Isas Fassung dahin. Fast kommen ihr die Tränen, als sie mich beschwört, nichts zu sagen. Ich begreife, dass Isa weder Tom über Jennys Sinneswandel informiert noch sich selbst eine Strategie überlegt hat. Sie hat bei Tom übernachtet, um bei ihm zu
Weitere Kostenlose Bücher