Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
Club erreichen, ist es, als würden wir uns seit Jahren kennen. Erst beim Aussteigen denke ich an einen anderen Wagen, einen grünen, in dem es nach Leder und Aftershave roch und an einem matschigen Wintertag Pink Floyd lief.
Der Club ist voll, aber wundersamerweise gelangen wir bis in die erste Reihe. The Mighty M sind drei tätowierte Jungs – gut zu beurteilen, da halb nackt –; sie spielen Alternative Rock, ziemlich engagiert, aber ohne dass ihr Enthusiasmus nervt. Es wirkt echt, sie haben Spaß und stecken das Publikum schnell an. Die Musik gefällt mir und ich tanze schon beim zweiten Lied.
In einem der langsameren Songs kommt der Sänger vor uns an den Bühnenrand und hält mir seine Gitarre hin. Was soll das denn werden? »Spiel!«, grinst Alex und fast ohne zu zögern beginne ich, seitenverkehrt auf den Saiten herumzutupfen. Ich kann kein bisschen Gitarre spielen, aber hier geht es ja nur um den Spaß und linksrum können es wohl ohnehin nur ganz Ausgebuffte. »Am Linkshändersolo: die reizende Paulette!«, ruft der Sänger, ich kriege Applaus und geniere mich kein bisschen.
Es wird ziemlich spät, ehe wir wieder in Alex’ gemütlichen Schlitten sinken. Ich bin müde vom Tanzen, aber der Abend war wirklich schön.
»Willst du fahren?«, fragt Alex grinsend. Die Frage nach dem Wollen stellt sich nicht; klar würde ich mir am Steuer dieses großen Wagens sehr lässig vorkommen, nur habe ich leider keinen Führerschein. Nachdem ich Alex drei Straßen lang damit amüsiert habe, warum ich nicht fahren kann und in welch missliche Situationen mich das schon gebracht hat, biegt er auf einen Baumarkt-Parkplatz ab. »Komm, ich bring’s dir bei!«
Ich bin kurz perplex, aber sofort von der Idee angetan und wieder hellwach. »Das kann man einfach so lernen? Jetzt? Hier?«
»Du schon!«, lacht er. »Ich zeig’s dir, es macht Spaß!«
Er steigt aus, ich rutsche abenteuerlustig auf den Fahrersitz. Alex schiebt den Sitz nach vorne, bis meine Füße die Pedale erreichen – er ist doch ein ganzes Stück größer als ich. Dann schwingt er sich auf den Beifahrersitz, fordert mich auf, das linke Pedal zu treten und zündet den Wagen. Das Auto macht einen Satz, mein Herz einen noch wilderen, dann stehen wir wieder, der Motor ist aus. Na toll, das war’s dann wohl.
Aber Alex lacht. »Mein Fehler«, sagt er nett und erklärt mir den Zusammenhang zwischen Kupplungspedal und Gangschaltung und warum man beides gleichzeitig benutzen sollte. »Kuppeln, schalten, starten!«, kommandiert er wie ein alter, leidgeprüfter Fahrlehrer. Beim zweiten Versuch trete ich das linke Pedal richtig durch, er schaltet – und nach seiner Anweisung lasse ich die Kupplung kommen und trete das Gaspedal. (Das Autofahrerfachvokabular beherrsche ich sofort!) Der Wagen rollt über den Parkplatz. Herrlich!
»Na also, du bist ein Naturtalent!«, lobt Alex und hat meinen ersten Versuch und den gewaltigen Hüpfer wohl freundlich verdrängt.
»Jetzt gib mal ein bisschen Gas«, lächelt er. »Keine Angst, es ist nicht glatt.« Ich tue es, wir fahren etwas schneller. Wahrscheinlich könnte uns ein Dreirad-Anfänger rückwärts überholen, aber ich fühle mich sehr patent und allen Highways gewachsen. Nachdem wir in mustergültiger Zusammenarbeit in den zweiten Gang hochgeschaltet haben, geht es sogar noch schneller. Ich kurve um den Parkplatz wie ein alter Hase, das Lenken macht am meisten Spaß. Düpdidü, ich sehe mich schon im strahlenden Sonnenschein über die Landstraße zum Timmendorfer Strand düsen. »Halt!«, ruft Alex. Hups, jetzt habe ich geträumt. Habe ich was falsch gemacht? Ich drücke das mittlere Pedal durch und der Wagen kommt mit einem Quietschen zum Stehen. Sieht Alex irgendwie leidend aus? Habe ich seinem Schlitten wehgetan? Eigentlich lächelt er immer noch sehr nett. »Es ist noch nicht optimal«, sagt er. (Mal Vorsicht mit den Erwartungen, meinLieber, ich fahre seit fünf Minuten und dafür läuft es doch schon ganz ansehnlich!) Aber Alex bekrittelt nicht meine frisch erworbenen Fahrkünste. Er beugt sich zur Fahrertür herüber, kurbelt das Fenster runter und fordert mich auf, den linken Arm aus dem Fenster zu hängen. »SO ist es richtig«, lacht er, als ich eine 70er-Jahre-Film-Autocowboy-Haltung einnehme. Dann fahren wir wieder mit vereinten Kräften los.
Es ist bibbernd kalt, mein Ellbogen, der aus dem Fenster hängt, friert im leichten Fahrtwind fast ein. Aber Alex hat recht: Genauso muss man einen solchen Schlitten
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