Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
Außerdem werden sie teilweise mit ganz anderen Krankheiten konfrontiert als in Europa – und nicht selten auch mit extremen Fällen. Damit umzugehen ist nicht leicht. Wie Tobias das wohl schafft? Gelingt es ihm dort immer noch, die professionelle Distanz zwischen Arzt und Patienten aufrechtzuerhalten?
»Aber gerade weil es so schrecklich ist, darf man sich nicht davor scheuen«, findet Isa. »Wenn wir doch nun mal gelernt haben, zu helfen … Wofür tun wir es denn sonst?!« Sie hat recht, wir stimmen ihr alle zu.
»Ich fliege im Sommer für ein paar Wochen runter und schaue mir einige der Projekte an«, sagt Tom. »Vielleicht …«
Isa nickt. »Ich komme mit.«
Einen Moment habe ich Angst um sie. Wird sie das durchstehen? In der nächsten Sekunde wird mir klar, dass es möglicherweise genau das Richtige für sie ist. Und sie wohl genau die Richtige für so ein Projekt.
Nach dem gemütlichen Sonntag folgt am Abend das große Heulen. Tom umarmt uns alle, Isa bringt ihn zum Auto – und kommt erst eine halbe Stunde später zurück. Verweint, am Boden zerstört. Nicht, dass wir nicht darauf vorbereitet waren.
»So«, sagt Jenny behutsam und setzt Isa wieder an den Küchentisch. »Wir können über Tom reden oder das Thema energisch vermeiden – wie du willst. Und wenn du ganz lieb bittest, spielen Lena und ich dir ein Puppentheater vor.«
Isa möchte über Tom reden. »Das Schlimmste ist, dass ich ihn erst in sechs Stunden anrufen kann!«
Ich rechne ihr unter Einsatz beider Hände vor, wie viele Stunden es dauert, bis sie sich wiedersehen. 122.
»Ich will ihn aber jetzt sofort wiedersehen!«, jammert Isa.
Ich ziehe die verplanten Stunden ab – mindestens 40 davon sind mit Arbeit gefüllt, etwa 35 mit Schlaf, es bleiben also circa 47 Stunden übrig. »Die bringen wir schon rum!«, tröste ich.
»Könnte ich dann jetzt das Puppentheater sehen?«, fragt Isa kläglich.
Jenny und ich kramen alles hervor, was als Figur durchgehen könnte, und führen für Isa mit Plüschtieren, Kochlöffeln, den Vampirkopf-PEZ-Spendern und Geschirrtuch-Puppen ein improvisiertes Stück auf, das jeder Handlung entbehrt, uns aber alle zum Lachen bringt.
Isa bedankt sich überschwänglich. Jetzt geht sie ins Bett, dann sind nur noch 43 Stunden herumzubringen. Gut, dass es Schlaf gibt. Und Arbeit. »Ja«, sage ich arglos. »Arbeit hilft immer gegen Sehnsucht.« Erst danach fällt mir wieder ein, was morgen auf der Chirurgiestation passieren wird … (Na gut, ablenken wird sie das in Aussicht stehende Drama sicher noch mehr als unser albernes Kochlöffel-Stück!)
Spät am Abend werde ich noch Zeuge einer seltsamen Unterhaltung zwischen Jenny und Felix.
»Ist es nicht toll, dass die sich so vermissen?«, fragt Jenny, als sie mit einem riesigen Handtuchturban zu Felix in ihr Zimmer spaziert. Felix’ Antwort kann ich nicht verstehen, wohl aber Jennys nächste Frage, die bei mir sofort pures Unbehagen weckt.
»Sollten wir uns nicht auch mal fehlen?«, fragt sie ganz ernsthaft. Nein, Jenny, das solltet ihr nicht! Warum kannst du nicht sehen, dass du es einfach perfekt hast?! Warum kannst du damit nicht glücklich sein?! Eins steht fest: Jennys Beziehungsmuster verstehe ich absolut nicht.
M iese Aussichten wirken im Februarmatsch um sieben Uhr früh immer gleich vollends deprimierend. Am Montagmorgen schlurft Isa bedrückt hinter uns her zur S-Bahn und fürchtet, diese Woche werde noch endloser und unerträglicher als die vergangene. Es ist jammerschade; die Arbeit hat sie im letzten halben Jahr immer erfüllt und sie war auf dem besten Weg, eine richtig gute Ärztin zu werden – und jetzt verderben ihr die bescheuerten Kommilitonen nicht nur den Spaß, sondern auch die gerade erst gewonnene Souveränität. Aber heute, nun ja … wird sich das Blatt wohl auf jeden Fall irgendwie wenden. (Hoffen wir, dass auf der anderen Seite wirklich eine angenehmere Lage für Isa beschrieben steht!)
»Meinst du nicht, wir sollten es ihr sagen?«, frage ich Jenny leise, als Isa auf der übervollen Bahnhofsrolltreppe kurz abgedrängt wird. Doch Jenny schüttelt entschieden den Kopf.
»Diese Frau wird gleich von Dr. Thiersch inquiriert!«, widerspricht sie. »Sie bringt niemals überzeugend rüber, dass sie von nichts wusste, wenn wir sie jetzt einweihen!«
Okay, langsam wird vielleicht auch Jenny mulmig. Aber sie hat recht. Wenn Isa es jetzt erfährt, ist sie garantiert so nervös, dass ihr kein Mensch die Überraschte abkauft. Und
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