Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
Hysterie-Glücks-Salto.)
»Magst du Mighty M? «, fragt eine Männerstimme.
Was? Wer ist das, was will er, was hat er mit Tobias gemacht?! Okay, sickert es langsam zum Gehirn durch, das ist er nicht. Die Enttäuschung wabert wie grau gekochte Leimsuppe in meinemMagen hoch. Idiotisch, bis vor einer Sekunde wärst du doch nie auf den Gedanken gekommen, ER könnte dich anrufen! Trotzdem.
»The Mighty M«, wiederholt die Stimme, »ich wollte nur hören, ob du sie magst.«
Ich sehe Jennys Strahlen, der Kopf nimmt die Arbeit wieder auf. Bei einer Telefonumfrage würde sie nicht so breit grinsen. Ich kann mir unter dem »M« nichts vorstellen, aber das am anderen Ende der Leitung muss Alex sein.
»Keine Ahnung«, sage ich fad. Und hänge dann schnell ein etwas freundlicheres »Warum?« an. Er kann ja nichts dafür, dass sein Anruf in mir naiv-verrückt-verzweifelte Hoffnungen geweckt hat.
»Ich wette, sie gefallen dir«, sagt Alex. »Hast du Lust, sie kennenzulernen?«
Ich schiebe Jenny die Tür vor dem Grinsen zu und beginne das Gespräch noch einmal. »Alex?«, frage ich. »Ich hab kein Wort verstanden und keine Ahnung, wovon du sprichst.«
Ich kann sein Lächeln durch die Leitung spüren. »Mighty M«, wiederholt er. »Eine tolle Band, von der ich dachte, dass du sie magst. Sie spielen heute Abend und ich wollte fragen, ob du mitwillst.«
Ich hätte durchaus erwidern können, dass Tante Lena lieber zu Hause sitzt und backen lernt. Aber die Tante daselbst tritt mir vors Schienbein; sie fühlt sich plötzlich jung genug, um das Backenlernen noch ein paar Jahre aufzuschieben. »Warum nicht«, antworte ich. Jede Musik, auch wenn der Bandname eher nach einem Baseballteam klingt, ist besser als das emsige Schb-schb-schb, mit dem die Nadel in dem YouTube-Video über den Stopfpilz fährt. Alex schlägt vor, mich abzuholen und ehe ich mich’s versehe, bin ich für den Abend verabredet.
Jenny hat an der Tür gelauscht. Jedenfalls steht sie sofort wieder im Zimmer, sobald ich aufgelegt habe. Sie ist hochzufrieden.
»Wusste ich’s doch!«, trompetet sie. Ich frage mich, was. »Du gewöhnst dich schon an ihn!«
»Er wollte euch auch mitnehmen«, widerspreche ich. »Wir gehen nur allein, weil ihr schon verplant seid.« Dass Alex mit keiner Silbe nach den anderen gefragt hat, erwähne ich lieber nicht, um das Feuer, das in Jennys Augen glitzert, nicht noch mehr anzuheizen. »Geh jetzt«, schiebe ich sie freundlich aus der Tür, »und schau dir mit deinem Schatz blassblaue Anker auf bleicher Haut an!«
Nach meiner energischen Versicherung, dass es sich WEDER um ein Date handelt, dessentwegen Aufhebens gemacht werden müsste, NOCH um einen Abend, an dem meine vergnügungssüchtige Freundin etwas verpasst – immerhin könnte »Mighty M« auch ein 80er-Jahre-HipHopper sein – macht Jenny sich endlich auf den Weg zu Felix, der schon zweimal ungeduldig geklingelt hat. Und ich schnappe mir ein Buch und lege mich doch noch in die Badewanne. Denn ein Nicht-Date hat den entscheidenden Vorteil, dass man sich um das Outfit frühestens fünf Minuten vor Aufbruch Gedanken machen muss.
Alex kommt pünktlich, benimmt sich vollkommen selbstverständlich und hat sich auch nicht in Schale geworfen. Also alles sehr angenehm. Wir umarmen uns zur Begrüßung – nein, keinerlei Kribbeln. Gut so. Er lässt mich auch zu schnell wieder los, als dass ich befürchten müsste, dass er den gemeinsamen Abend irgendwie anders deutet als ich.
Er öffnet die Tür eines ziemlich alten, ziemlich großen Autos. Der Wagen könnte einem amerikanischen 70er-Jahre-Film entsprungen sein. Ich steige ein und versinke im Beifahrersitz bis auf Straßenniveau, aber es ist ziemlich gemütlich. Alex kutschiert uns bis zum Club und redet die ganze Zeit. Er plappert nicht einfach, damit es nicht still ist, sondern erzählt von seinem Studium, von der Bar, die er gerne hätte, und seiner Leidenschaft für Musik. Alex spielt Klavier und Gitarre, nennt es aber »nur für den Hausgebrauch«, und gesteht, dass er es gern zu bandtauglichem Können bringen würde, sich aber zu alt fühlt, um noch eine anderen Musikern zumutbare Klasse zu erreichen. Erkokettiert nicht damit und will keine Komplimente oder Ermunterung hören – da ich gar nicht weiß, wie er spielt, wäre das ja auch höchst nichtssagend. Er erzählt einfach von sich, mit keiner anderen Absicht, als dass wir uns besser kennenlernen. Ich habe ein richtig schönes Freundschaftsgefühl und als wir den
Weitere Kostenlose Bücher