Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
anderen Arm und singt zu Marmor, Stein und Eisen bricht mindestens so laut wie die Möchtegern-Hildegard. Ich hätte mir denken können, dass das hier hundertprozentig nach ihrem Geschmack ist.
»Warum hast du uns nicht verraten, dass es hier viel cooler ist?«, ruft sie Alex zu und droht grinsend mit dem Finger. »Wolltest du uns los sein?«
Alex wehrt ab und schenkt auch Jenny und Felix von dem grasgrünen Getränk ein.
»Wir hopsen nebenan zu Michael Jackson«, beschwert sich Jenny scherzhaft bei mir, »und haben keine Ahnung!« (Unglaublich! Ich habe die bessere Party erwischt als Jenny?! So was ist mir ja noch nie passiert!)
Als wir das Herz verlassen, bin ich vollkommen durchgeschwitzt. Eigentlich sind wir total erschöpft, aber Alex schlägt vor, nicht nur Isa und Tom einzusammeln, sondern im Kopf noch einen letzten Drink zu nehmen, damit wir nicht klatschnass in die Februarnacht hinausgehen. »Ich will nicht, dass du dich erkältest«, sagt er zu mir. Liebevoll. Trotzdem wirkt es nicht besitzergreifend, er spielt sich nicht als mein Freund auf und scheint nichts anderes zu meinen, als dass er mir eben keine Erkältung wünscht.
Jenny jedoch hat nur auf etwas gewartet, das sie deuten kann. »Siehst du?«, flüstert sie mir zu, als die beiden Jungs an die Bar gehen, »er mag dich wirklich gern. Könntest du ihn nicht doch ein bisschen toll finden?!« Sie sieht mich flehend an.
Deswegen gestehe ich schließlich zu, dass ich ihn wenigstensein ganz kleines bisschen toll finde. Jenny ist die Falsche, um zu verstehen, dass »ein bisschen toll« nichts und überhaupt nichts an den anderen Gefühlen ändern kann. Sie lächelt zufrieden.
Wäre es das nicht?, muss ich mich selbst fragen. Jemand, mit dem du dich gut unterhältst, dich unkompliziert amüsierst … Wäre das Leben nicht tausendmal einfacher, wenn du Alex noch ein bisschen toller fändest? Könntest du es nicht versuchen?
Alex kommt zurück, hakt mich wie selbstverständlich unter und ich versuche, mir vorzustellen, wie es wäre. Wir schlendern zu Isa und Tom, die sich auf ein Ecksofa zurückgezogen haben und immer noch reden und reden. Felix hat den Arm um Jennys Hüfte gelegt und plötzlich, mitten im Laufen, hebt er sie lachend ein wenig hoch, sodass sie kurz mit den Beinen in der Luft strampelt. Sie boxt ihn, er setzt sie ab, sie küssen sich kurz und grinsen dabei. Und hinter ihnen gehen wir – Alex und ich. Ebenfalls eng nebeneinander. Wir könnten genauso ein lässiges, zufriedenes Paar sein. Jenny und Felix lassen sich bei dem schnatternden Pärchen auf der Eckcouch nieder, wir setzen uns dazu. Das könnte es sein. Drei Paare, jung, ausgelassen, sorglos. Ein Mann wie Felix, lebensfroh und unkompliziert. Wie Tom, liebevoll und feinfühlig. Dasselbe für mich bitte.
Alex lacht mir zu. Fürsorglich, aber mit einem Grinsen fühlt er, wie weit der Trocknungszustand meiner Haare vorangeschritten ist. Ich fange Jennys Blick auf. Versuch’s doch, Lena!
In diesem Moment, gerade als wir aufstehen, um heimzufahren, läuft ein neues Lied im Kopf-Raum an. Pink Floyd.
Ein Lied, das mich sofort auf eine winterliche Straße zurückversetzt, Regenmatsch, ein warmes Auto. UNSER Lied. Ob Tobias es noch manchmal anhört? Seit wir uns getrennt haben, meide ich den Song; jetzt aber kann ich nicht ausweichen. Es trifft mich voll in den Magen.
Nein. Alex ist es nicht.
Als ich am frühen Samstagmorgen in mein Bett falle, verpufft die Aufregung des Abends in einer alles niederdrückenden, grauen Wolke.
M anche Beziehungsmuster verstehe ich einfach nicht. Selbst bei meinen engsten Freundinnen. Am Frühstückstisch erklärt uns Tom zwischen den Weißwürsten, wie froh er sei, dass es bei Isa so gut läuft. Wir schnappen nach Luft. Isas flehender Blick bremst uns, bevor unsere Irritation sich Bahn bricht. Weiß Tom etwa nichts von Isas Schwierigkeiten?
Sobald er aus dem Zimmer geht, sieht Isa uns an wie ein kleines Häschen. »Ich hab es ihm nicht gesagt«, gesteht sie. »Er soll sich doch keine Sorgen machen. Es ist alles schon schwer genug!«
Zu widersprechen gäbe es viel – zuallererst, dass etwas, das einen von beiden so beschäftigt, in einer Beziehung vielleicht auch den anderen interessiert. Isa aber beschwört uns flüsternd, den Mund zu halten. Ihre Argumentation ist ein bisschen dünn.
»Er kann doch sowieso nichts machen«, findet sie. »Deshalb will ich ihn nicht volljammern. Ich möchte nicht, dass er in München sitzt und darüber grübelt,
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