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Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept

Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept

Titel: Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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dann bringt unsere Aktion sie erst recht in Teufels Küche.
    Während wir unsere Vormittagsrunde absolvieren, sind Jenny und ich permanent auf dem Sprung. Falls unsere Freundin auf der Suche nach Beistand auf die Gyn herüberkommt, wollenwir sie auf keinen Fall verpassen. Jenny ist überzeugt, dass uns das erwartete Theater ohnehin nicht entgehen kann, weil man Dr. Thierschs Wutgeschrei garantiert bis hierher hören wird. Aber bis zur Stationsvisite tönt weder Chirurgie-Oberärztinnen-Gebrüll herüber, noch taucht Isa bei uns auf. Wir ziehen, begleitet von Dr. Seidler, von Zimmer zu Zimmer.
    Frau Rühlemanns Werte habe ich bereits heute Morgen überprüft; sie ist nach dem Wochenende gut erholt. »Ich hab’s geschafft, oder?«, fragt sie bei der Visite. Ich erkläre noch einmal, dass der Wächterlymphknoten keine Anzeichen für weitere Tumorzellen gezeigt hat. Aber von »geschafft« kann eigentlich noch nicht die Rede sein. Es wird zwar keine weitere Chemotherapie durchgeführt, aber um das Risiko eines Rückfalls zu senken, wird sie sich einer Strahlentherapie unterziehen müssen. Damit wird die Rückfallrate auf etwa zehn Prozent gesenkt, die Bestrahlung ist also unbedingt notwendig. Doch sie stellt auch eine enorme Belastung dar und zwischen zehn Prozent und null bleibt angsteinflößend viel Spielraum.
    Auch bei meinem anderen Schützling ist die Visite schwierig. Frau Frisch zwirbelt nervös ihr Schneewittchenhaar und das Ultraschallbild von Pünktchen ist auch schon ziemlich zerknickt. Heute Früh hat sie mir erzählt, dass sie die Babybesänftigung das ganze Wochenende über brav durchgezogen hat. Doch die Wehen kehren regelmäßig wieder.
    »Wir sind in Woche 33«, sage ich, so locker ich kann. »Sie müssen nur noch eine Woche durchhalten.« Ab der 34. Schwangerschaftswoche wird die Geburt nicht mehr aufgehalten. Pünktchen wird dann immer noch ein Frühchen sein – aber mit weit besseren Überlebenschancen, als wenn der Wurm jetzt schon auf die Welt käme. »Wir schaffen das«, ermuntere ich meine nervöse Patientin. Sie sieht mich aus großen, ängstlichen Augen an. Bitte! Was ist denn EINE verdammte Woche?! Ich würde mich jetzt sofort an Frau Frischs Bett ketten und die verfluchte Woche auf Knien neben dem weißen Bettgestell ausharren, wenn ich den beiden damit irgendwie helfen könnte! Wir müssen es schaffen!
    Frau Frisch hat Schmerzen. Schmerzen und Angst. Und wir können gar nichts tun, als die Medikamentendosis noch ein wenig heraufzusetzen, das Baby zu überwachen und zu hoffen … Ich hasse es.
    Meine wütende Entschlossenheit überträgt sich wenigstens ein bisschen auf die Patientin. »Ich halte es noch aus«, verspricht sie tapfer. »Wenn Pünktchen es nur auch noch aushält.« Ich drücke ihre Hand, ist mir doch egal, ob die ganze Visitegruppe zusieht.
    Im Anschluss an die Visite bittet Dr. Seidler mich zur Nachbesprechung in den Arztraum. Sie setzt sich, wieder kann ich beobachten, dass der hüpfende Kurzhaarschnitt erst zwei Sekunden nach der Stationsärztin zur Ruhe kommt. Ich erwarte eine neue Patientenzuteilung oder eine Ansage zum Thema OP-Assistenz – aber nicht, was nun kommt.
    »Frau Frisch …«, beginnt die Stationsärztin und faltet die Hände. »Ich wollte nur sichergehen, dass Ihr Optimismus lediglich zur Beruhigung der Patientin dient – und Sie nicht selbst daran glauben, dass sie es noch eine ganze Woche schafft. Sie sind doch vorbereitet?« Wie bitte?
    Dr. Seidler sieht mich ernst an. »Ich gebe Frau Frischs Baby höchstens noch zwei Tage.« Sie sagt das ganz ruhig. Sie will mir keine Angst machen. Mich nur sachlich vorbereiten. Darauf, dass meine Hoffnungen illusorisch sind. »Das wussten Sie doch?«, fragt die Stationsärztin. Ja. Theoretisch wusste ich es. Praktisch kann ich den Gedanken einfach nicht zulassen. Ich will es nicht.
    »Spätestens übermorgen wird es so weit sein«, sagt Dr. Seidler. »Wenn Sie es sich zutrauen, sind Sie dabei, Frau Weissenbach.« Ich nicke nur, ich kann nichts sagen.
    Sie steht auf. »Das wär’s erst mal.« Ich ziehe mich am Tisch hoch. Nein, eine Frage muss ich noch stellen.
    »Wenn er morgen schon kommt …« Ich bringe die Frage kaum zu Ende. »Wie stehen seine Chancen?«
    Dr. Seidler schüttelt den Kopf. »Wir müssen abwarten. Das wissen Sie doch.« Natürlich. Das weiß ich.
    Als ich aus dem Arztraum schleiche, merkt Dr. Seidler, wie sehr mich das Gespräch niedergeschmettert hat. An der Tür berührt sie sanft

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