Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
hoffnungsvolle Stimme in meinem Bauch nicht los, die flüstert: »Wenn du es schaffst zu duschen, ohne dass die anderen aufwachen, dann passiert es nicht heute … Wenn du eine ganze Buchseite durcharbeiten kannst, bevor der Kaffee fertig ist … Wenn es dir gelingt, die Luft anzuhalten, bis Isa ihren Apfel klein geschnitten hat …« Es ist idiotisch. Unangemessen. Trotzdem erfülle ich fast zwanghaft alle Bedingungen, nur um das Schicksal nicht herauszufordern – und verbiete mir ebenso scharf, auch nur eine Sekunde daran zu glauben. Patienten-Orakel gelten nicht, Lena! Aberglaube ist für Ärzte absolut verboten! Meine bemühte Rationalität schützt mich dennoch nicht davor, auf dem Weg zur Klinik immer wieder zu denken, dass ich alles in meiner persönlichen Macht Stehende getan habe.
Nervös erkundige ich mich bei Schwester Evelyn nach besonderen Vorkommnissen. Sie macht ein unbeeindrucktes Gesicht. Nichts passiert.
»Wieder eine Nacht überstanden«, sagt Frau Frisch müde, als ich sie besuche. Doch heute sehe ich es auch. Noch eine Nacht schafft sie wohl nicht.
Ich mache ihr Hoffnung, so gut ich kann. Aber ich richte mich darauf ein, dass Pünktchen vielleicht schon morgen in einem der Glaskästen auf der Frühchenstation versorgt werden muss.
Für den Vormittag werde ich wieder zur Sonografie abgestellt; Dr. Zhōu und ich untersuchen eine Schwangere nach der anderen. Es lenkt mich ab, trotzdem ertappe ich mich immer wieder dabei, dass ich unwillkürlich auf den Flur hinauslausche. Sie würden mich doch holen? Dr. Zhōu beruhigt mich; ich werde ganz bestimmt benachrichtigt. Sicherheitshalber sage ich vor der Mittagspause nicht nur Pflegedienstleiterin Kathi und Empfangsschwester Evelyn, sondern auch allen anderen Schwestern Bescheid, die mir über den Weg laufen.
In der Cafeteria hocken Isas Kollegen zusammen an einem Tisch und schimpfen mit hängenden Köpfen vor sich hin. Man kann sehen, dass sie fluchen, sich ungerecht behandelt fühlen, stocksauer sind.
Isa sitzt allein, hat auf uns gewartet. Heute wirkt sie doch bedrückt. Egal, wie verdient es sein mag – sie kann es nicht ertragen, wenn jemand heruntergeputzt wird.
Jennys Euphorie wird von Isas Mitgefühl nicht beeinträchtigt, haarklein will sie jedes Wort hören, das die eisige Oberchirurgin den vermissten PJlern entgegengeschleudert hat. Isa berichtet, dass der Tag mit einer fiesen Inquisition begann. Die Kollegen fühlten sich zuerst völlig im Recht; diesen Zahn hat ihnen Dr. Thiersch allerdings sofort gezogen, und zwar ohne Narkose. Für die flüchtigen PJler hat die Oberärztin Überstunden vorgesehen; in dieser Woche werden sie jeden Tag zwei Stunden dranhängen. Es gibt immerhin nach Feierabend eine Menge Papierkram zu erledigen – genug für alle.
Dr. Thierschs Ermittlung ging allerdings noch einen Schritt weiter. Sie hat zwar eindrücklich versichert, dass NIEMAND einen freien Tag bekommt, nur um eine Fallvorstellung auszuarbeiten; die Geschichte mit dem Aushang glaubt sie aber doch irgendwie. Und dass jemand die Frechheit besitzen könnte, derartige Mitteilungen auszuhängen, kränkt sie ebenso, wie dass die PJler so etwas glauben. Die Eisprinzessin ist also auf der Pirsch nach dem Verursacher. Und fragt sich selbstverständlich, warum eine einzige PJlerin NICHT auf den Zettel hereingefallen ist.
Diese Information hat Isa nur vom immer lächelnden Dr. Gode. Er hat ihr freundlichst hinterbracht, dass die Oberärztin, die Isa gestern noch als einzige zuverlässige Kraft gerühmt hat, heute ob ihres Erscheinens im Nachhinein misstrauisch wurde. Doch Dr. Gode hat ebenfalls berichtet, dass die anderen PJler nur genervt abgewunken hätten. Der faden Isa trauen sie nichts Derartiges zu. Dass DIE ihnen die Suppe eingebrockt haben könnte, ist unvorstellbar.
Isa lächelt erleichtert. »Das wäre gemein gewesen, oder?«
Betretenes Schweigen am Tisch, Glück gehabt haben wir alle.
Dr. Gode glaubt übrigens auch nicht, dass Isa so etwas tun würde. Er hat Isa versichert, dass er sie für viel zu anständig hält, um ihre Probleme auf so tückische Weise zu lösen. Und dass die Oberärztin im Grunde dasselbe denkt und ihr Temperament nur kurz mit ihr durchgegangen ist. Der gutherzige Stationsarzt hat Isa also völlig wiederhergestellt. Dass sie nun die ganze Woche keinen Papierkram erledigen muss, macht ihre Zufriedenheit perfekt.
»Das haben wir großartig gemacht«, strahlt Jenny, als Isa zu ihrer nächsten OP eilt. Isa
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