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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rothe-Liermann Antonia
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ein ganz normaler Montagmittag. Eine Schlange am Tresen, Ruben, der blauhaarige Koch, grinst zu uns herüber, Schwester Karla sieht durch uns hindurch. Da sitzt Dr. Ross, sie nickt uns zu, dann dreht sie weiter Spaghetti auf ihre Gabel. Für sie alle hat sich die Welt nicht verändert. Mein Herz flattert, als würde ich es nicht mal bis zum Tresen schaffen. Denn dort ist er.
    Dr. Thalheim steht gerade vom Tisch auf, als er mich entdeckt. Ich kann mich nicht rühren. War er letzte Woche schon so groß, so attraktiv, so erwachsen? Er sieht überhaupt nicht aus wie jemand,der eine PJlerin küsst. Doch er kommt auf mich zu. Näher und näher.
    »Guten Tag, die Damen«, sagt er. Und dann geht er an uns vorbei aus dem Raum.
    Zack, die Hornisse hat zugestochen, die Liebeswolke im Bauch platzt mit erbarmungslosem Zischen, ein fieser Schmerz. Ich fühle mich wie vereist. Was war das?! Was heißt das?! Was ist passiert?! Klar – es wäre zu krass, hier vor allen zu offenbaren, dass sich unsere Beziehung geändert hat. (Aber davon träumen durfte man ja wohl.) Oder hat sich unser Verhältnis gar nicht verändert? Ist das seine Art, zu zeigen, dass er den Vorfall vergessen möchte? Konnte er nicht wenigstens lächeln? Du fängst jetzt hier nicht an zu heulen, Lena!
    Ich kann meine Freundinnen gar nicht anschauen, so sehr fürchte ich, Mitleid in ihren Gesichtern zu sehen. Isa berührt mich am Arm, ich drehe mich doch zu ihr um. »Tut mir leid, Lena«, sagt sie leise. Und ich kann deutlich sehen, dass auch sie meine Geschichte jetzt nicht mehr glaubt.
    Natürlich nicht. Ich glaub’s ja selbst nicht mehr.

I ch möchte nach Hause fahren. Sofort. Natürlich kommt das nicht infrage. Aber das gemeinsame Mittagessen in der Cafeteria schaffe ich heute auf keinen Fall. Niemand hier hat eine Ahnung, worauf ich gehofft habe, welche idiotisch-teenagermäßigen Träume meinen Vormittag überspült haben. Aber ich bin trotzdem nicht in der Lage, mich jetzt hier zu Spaghetti und PJ-Plausch niederzulassen, während die Enttäuschung wie ein nasser grauer Sack meinen Magen ausfüllt. Also erfinde ich eine lahme Ausrede und verlasse die Cafeteria ohne Essen. Meine Freundinnen halten mich nicht auf; ich glaube, in diesem Moment sind sie endlich doch überzeugt, dass ich den Kuss nicht erfunden habe. »Sollen wir woanders hingehen?«, fragt Isa leise, doch ich schüttele schlaff den Kopf und schleiche zurück auf die Chirurgie.
    Auf dem Gang zwischen den Stationen werden meine Schritte schwerer und schwerer, bis ich das Gefühl habe, es nicht mal mehr bis zum Aufzug zu schaffen. So ist das also. Er küsst mich – und dann ignoriert er mich. Und du Schaf hattest die Hollywood-Romanze schon fertig. Wie naiv, ich schäme mich vor mir selbst. Es hat ihm gar nichts bedeutet.
    Die weißen Türen mit den Milchglasfenstern zu beiden Seiten des Ganges sind spöttische Gesichter. Eine der Türen gehört zu seinem Büro. Was tue ich, wenn sie offen steht? Oder gar, wenn er jetzt über den Flur kommt? Ich gehe schneller, nur weg hier! Der Gang ist leer, seine Bürotür geschlossen, ich haste daran vorbeiund erreiche den Aufzug wie ein rettendes Schlauchboot. Die Türen schließen sich, ich bin der Gefahr entronnen – vorerst. Bis dieser Tag überstanden ist, werde ich die Chirurgie-Etage nicht mehr verlassen. Und heute Abend nehme ich die Treppe. Nur IHM nicht begegnen!
    Die Ernüchterung kommt sofort. Wieso denkst du nur bis heute Abend, Lena?! Nach diesem Abend kommt ein neuer Tag. Und noch einer. 92 bis zum Ende der Tertials, 182 bis du St. Anna verlassen kannst. Wie sollst du die überstehen, ohne ihm über den Weg zu laufen?! Selbst wenn du niemals wieder die Cafeteria betrittst – es wird unmöglich sein, 182 Tage nicht auf ihn zu treffen. Okay, ohne die Wochenenden sind es 120, vielleicht 113, falls ich zu Weihnachten Urlaub nehmen darf. Aber 113 Arbeitstage sind fast 1000 Stunden. Vergiss es, Lena, diese Sache musst du anders angehen! Thalheims knappes Lächeln brennt immer noch höhnisch deutlich in meinem inneren Auge. (Nur »Thalheim« – kein Gedanke mehr an »Tobias«. Selbst das respektvolle »Dr.« spart sich die Gedankenstimme, verletzt auf schmerzvermeidenden, herablassenden Abstand bedacht.)
    Ich bereue, dass ich nicht schnell genug auf cool schalten konnte und ihm eine ebenso kühl-freundliche Begrüßung hingeworfen habe. Stattdessen sah ich sicher aus wie eine Karnevalsprinzessin im Regen. Beim nächsten Mal – wenn sich die

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