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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rothe-Liermann Antonia
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dem Weg zur Mittagspause fällt mir wieder ein, dass Ruben und ich uns am Freitag ein wenig im Unguten getrennt haben. Wird er mir nachtragen, dass ich mich für meinen beleidigten Abgang nicht entschuldigt habe?
    Am Tresen steht gerade niemand, ich nutze die Gelegenheit, um ein paar Worte mit Ruben zu wechseln. »Tut mir leid, dass ich so komisch reagiert habe«, sage ich leise.
    Und zum Glück ist Ruben versöhnlich; er lächelt mich an und entgegnet: »Tut MIR leid, dass ich mich eingemischt habe. Aber Papi will nur dein Bestes, das weißt du hoffentlich.« Ich nicke. Natürlich. Er grinst. »Und deshalb drückt Papi jetzt mal beide Augen zu und macht keine noch so winzige Bemerkung zu der albernen Szene, die er gleich nicht zu sehen bekommt.«
    Wie bitte? Ruben nickt unmerklich in Richtung Eingang. Ich drehe mich um – und mein Herz klopft bis zum Hals. Tobias. Hilfe, wie hast du mir gefehlt! Er kommt herüber, ich bleibe einfach stehen. Wenigstens eine Sekunde neben ihm stehen, dabei kann doch niemand, niemand etwas vermuten.
    Er tritt zu uns an den Tresen. »Hallo!«, seine Stimme ist warm wie immer. Ich lächle den Tresen an; das Glücksgrinsen will einfach nicht aus meinem Gesicht verschwinden. Ich strahle die Auslage an, als wäre sie aus Gold. Tobias wird ja wohl wissen, dass ich nicht den Sandwiches verliebte Augen mache.
    »Na, Herr Doktor?« Ruben stellt Tobias einen Kaffee hin. »Hatten Sie Wochenenddienst?«
    Tobias nickt. »Leider …«
    Das ging an mich. Achtung, lieber Oberarzt, eigentlich ist es nicht deine Art, über Extraschichten zu klagen. Offenbar hat er das auch gemerkt, denn er fügt hinzu: »Doch die Patienten können es sich ja auch nicht aussuchen.« Schon besser, das klingt viel mehr nach dir.
    »Aber einsam ist es, oder?«, grinst Ruben. »Es gibt sicher Dinge, die man lieber tun würde …« Nein, Ruben, du alter Teufel! Er weiß doch nicht, dass DU es weißt!
    Tobias wirft mir einen Blick zu, ganz kurz, aber auch nicht eben unauffällig. Er lächelt – so lieb, dass ich ganz deutlich verstehe, was er mir über die Dinge, die er lieber getan hätte, jetzt nicht sagen kann. Und ich werde schon wieder rot. Dann sieht er auf und antwortet Ruben: »Wenn man sich für den Arztberuf entscheidet, sollte es nichts geben, was man lieber tun möchte.«
    Ruben zieht eine Zeitung unter dem Tresen hervor. Mir wird unbehaglich, ich ahne, was kommt. »Auch der Arztberuf hat ja wirklich schöne Seiten, Herr Dr. Thalheim«, grinst Ruben und schlägt wie beiläufig die Berlin-Seite auf. Hilfe, nein, Schluss jetzt!
    Doch Tobias überrascht mich immer wieder. Er wirft einen kurzen Blick auf mein Foto und sagt cool: »Ich weiß.« Damit nimmt er seinen Kaffee und geht.
    »Ruben, du Satansbraten, das wirst du mir büßen!«, zische ich grinsend. Er zuckt die Schultern. »Eine minimale Entschädigung steht mir ja wohl zu!«
    Ich leere meinen Kaffeebecher in einem Zug und verlasse hoch erhobenen Hauptes den Tresen. Das Echo des zwar gut verpackten, aber wunderbar liebevollen Oberarztkompliments hallt in meinem Kopf wider bis zur Chirurgiestation.
    »Zack, zack«, ruft mir die schneidende Stimme der Oberärztin entgegen, als ich aus dem Fahrstuhl komme. »Wenn Sie EINMAL pünktlich sind, können Sie ja auch mal zeigen, was Sie können.« Werde ich diese EINE EINMALIGE Verspätung denn niemals los? Egal, jetzt ist keine Zeit, beleidigt zu sein. Ich folge Dr. Thiersch eilig in die Aufnahme. Dort liegt eine etwa 20-jährigeFrau und krümmt sich vor Schmerzen. »Akute Appendizitiszeichen, Laborwerte und Sonografie sind eindeutig«, hackt Dr. Thiersch in die Luft. »Für eine Appendektomie vorbereiten, das Team ist gleich so weit.« Sie drückt mir die Akte der Patientin in die Hand und will den Raum verlassen. Ich soll allein? Aufklären, die Anästhesistin kommen lassen, die Patientin in den OP begleiten? Eine PJlerin darf doch gar nicht allein …
    »Können Sie das oder nicht?«
    Natürlich kann ich. »Das Aufklärungsgespräch darf ich aber nicht …« Schon wieder unterbricht sie mich.
    »Das hier ist eine Not-OP, klar? Aufklärung habe ich durchgeführt.« Schnell, Lena, jetzt oder nie! »Darf ich assistieren?«, frage ich hastig.
    Dr. Thiersch runzelt die Stirn. »Glauben Sie, ich hole jetzt jemanden aus der Mittagspause, nur um SIE zu ärgern?«
    Aha. Heißt das, ich darf? Wahrscheinlich. Schon ist sie aus dem Raum gestiefelt und ich bin mit der Patientin allein. Übernehmen, Lena, du weißt, was

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