Miss Emergency
wirklich nicht objektiv beurteilen!
Der Sonntag vergeht mit wilden Argumentationen. Jenny findet Tom mal wieder viel zu vereinnahmend und rät Isa dringend, sich noch nicht so festzulegen. Aber Isa ist kein Freigeist wieJenny; ich habe das Gefühl, dass sie lediglich Angst vor dem Neuanfang in einer bayerischen Klinik hat, ein so frühes Bekenntnis zu lebenslanger Zweisamkeit mit Tom aber ganz wunderbar findet.
Mitten in unserer Diskussion klingelt es, vor der Tür steht Jennys Verehrer aus dem Asia-Imbiss. »Jetzt schlägt’s aber 13, meine Liebe!«, flüstere ich. »Ist deine Männersammlung denn immer noch nicht komplett?!« Jenny aber grinst nur und nimmt dem Jungen die Tasche ab. »Soll ich sie für euch zubereiten?«, fragt er hoffnungsvoll. Doch Jenny komplimentiert ihn lächelnd aus der Wohnung. »Die sind leider nicht zum Essen …«
Etwas verstört verschwindet der Junge. Wir sind nicht weniger irritiert, als Jenny die Tasche leert und drei frische Hühnerbrüste auf den Tisch legt. »Jetzt wird genäht, Mädels, wir wollen doch Sabrina ausstechen!«
Eine prima Idee! Ich vertage das Staunen darüber, dass ausgerechnet der sorglosen Jenny so eine brillante Arbeitsvorbereitung einfällt, und wir machen uns ans Werk. Gerade ich, die ich überhaupt noch keine OP-Erfahrung habe, kann von der zusätzlichen Übungsstunde nur profitieren. Isa verschärft die Bedingungen, indem sie Handschuhe austeilt und verbietet, dass wir im Sitzen nähen. »Ich schwöre, Lena, das Nähen ist im OP viel schwieriger als im Nähkurs für Medizinstudenten.«
Tatsächlich. Im Kurs habe ich ohne Handschuhe geübt und gemütlich auf einem Hocker gesessen. Mit Handschuhen rutscht der Faden ziemlich schlecht und vom Stehen vor dem niedrigen Tisch tut mir bald der Rücken weh. »Und was noch schlimmer ist«, warnt Isa, »im OP schauen dir alle zu …«
Eine Weile nähen wir hochkonzentriert, die Unterhaltung verstummt. Es dauert, bis ich endlich mit einer Naht zufrieden bin, doch Isa und Jenny loben mich überschwänglich. Ich bin in Fahrt. Ich könnte alles zunähen – Geschirrtücher, die Asia-Tasche, Jennys Zigarettenschachtel, die Blätter von Isas Topfpflanzen, unsere Lehrbücher. Ich muss mich richtig bremsen. Jetzt könnte mein erster OP-Einsatz aber wirklich mal kommen!
»Das würde mir entsetzlich fehlen«, sagt Isa leise. »Ihr … und eure herrlich schrägen Ideen.«
»Und mir wird fehlen, was für Kinkerlitzchen DU immer schon schräg findest!«, entgegnet Jenny lachend. Und dann schnappt sie unsere Übungs-Hühnchen vom Tisch und zaubert daraus ein traumhaftes Abendessen.
Am Montagmorgen legt Isa eine Zeitung auf den Frühstückstisch und fragt empört, wie wir das ganze Wochenende ihre Umzugspläne diskutieren konnten, ohne zu erwähnen, dass sie hier nicht nur zwei Freundinnen, sondern auch zwei so gefragte VIPs zurücklassen würde! Jenny und ich stürzen uns auf die Zeitung. Die erste Seite des Berlin-Teils füllt ein fröhlicher Artikel über das Magazin-Jubiläum, eine Fotostrecke zeigt, welch hochkarätige Gäste den Empfang beehrten. Auf dem untersten Foto stehen wir neben dem Damenklobesucher und lächeln um die Wette. Der Schauspieler ist natürlich das Hauptmotiv, unter dem Bild steht auch nur sein Name. Aber ich – die sonst allen Fotos in Vernichtungsmission hinterherpirschen muss, weil Bilder von mir stets nach Verbrecherkartei oder Alkoholwarnkampagne aussehen – bin einfach fabelhaft vorteilhaft getroffen. Keine roten Flecken, kein schiefes Grinsen. Jenny und ich flankieren den Schauspieler, als hätten wir nie etwas anderes gemacht als einen hervorragenden Eindruck – und als könnte man uns besten Gewissens jederzeit wieder dafür engagieren.
»Herrlich«, freut sich Jenny, »ich sehe aus wie ein verwöhntes It-Girl und du wie eine schrecklich teure Schauspielerin!« Dann legt sie das Blatt amüsiert zur Seite und Isa faltet es, um sich das Bild – sollte sie im nächsten Monat nicht mehr bei uns sein – in München über ihr Bett zu hängen. Ich beschließe heimlich, noch mindestens zehn Zeitungen zu kaufen. Wenn man einmal im Leben vorteilhaft abgelichtet wurde, sollte man keine Kosten und Mühen scheuen!
Das Foto ist auch in der Klinik bereits Gespräch; Schwester Jana empfängt uns mit stolzem Grinsen und hat die Zeitung schon überall rumgezeigt. Dr. Gode lächelt uns zur Morgenbesprechungbreit an und erklärt, er habe bereits alle Kollegen damit neidisch gemacht, dass er die
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