Miss Emergency
verantwortlich, wie schnell mir die Arbeit von der Hand geht. Hier fühlt es sich richtig an. Wir sind zwei Ärzte, die nach Feierabend den unvermeidlichen Papierkram erledigen. Zwischen zwei Berichten sieht er auf. »Schön, dass du da bist«, sagt er, einfach so, dann schreibt er weiter. Ich könnte platzen vor Glück. Er hat es auch gemerkt!
Am Morgen habe ich den Klinik-Ärger vergessen und bin zappelig wie ein Kind am Geburtstag. Ein endloses freies Wochenende liegt vor mir, unzählbare Möglichkeiten. Ich möchte mit meinen Freundinnen durch die Stadt bummeln, endlich mal wieder zu dritt sein. Ich möchte lesen und in der Badewanne liegen. Und hier sein, ausgedehnt frühstücken, abends am Feuer sitzen.
»Entschuldige«, sagt Tobias, »da ist ein Essen, zu dem ich hinmuss.«
Erst ist die naive Lena am Zug, die im Kopf schon die komplette Garderobe – meine eigene und auch Jennys – auf etwas Oberarzt-Essen-Taugliches durchforstet. »Wann?«, fragt sie vollerVorfreude. Tobias bleibt stumm, sein Blick ist eindeutig, mitleidig. Ach so, »ich« hat er gesagt – und gemeint. Nicht »wir«. Und er schwenkt auch jetzt nicht um und fragt, ob ich Lust habe oder bedauert wenigstens, dass er ohne Begleitung eingeladen ist. Er tut nicht einmal, als wäre es eine schreckliche Verpflichtung, die er ohne mich kaum überstehen wird. Nein, es ist völlig klar, dass er allein geht. Ich fühle mich schrecklich verstoßen. Wie affig, Lena, wie theatralisch, du hast dich doch im Leben noch auf kein Ärzteessen gewünscht. Aber darum geht es nicht. Ich will, dass er mich bei sich haben möchte, ist denn das zu viel verlangt?!
Im Coolbleiben war ich noch nie gut, Tobias merkt sofort, dass ich gekränkt bin. Doch auch dazu sagt er nichts, er nimmt es hin wie die Albernheit eines verwöhnten Kindes – mit dem Erfolg, dass ich noch misslauniger werde. »Komm schon«, sagt er nur, »wir sehen uns am Montag.« Als ob es bloß darum ginge!
Als ich mich verabschiede, ist noch nicht wieder alles gut. Ich gebe mir wirklich Mühe, eine ganz unbeeindruckte, lässige Frau zu sein. Eine, die nicht wegen eines allein verbrachten Abends beleidigt ist. Eine, die wiederzusehen man sich freut. Eine, die man ohnehin schrecklich vermisst, sodass man den freien Abend bereut. Es gelingt mir nicht ganz. Aber er sagt nichts.
An diesem Morgen tut es mir leid, dass ich erst so spät nach Hause komme.
V on wegen schönes Wochenende! In der WG herrscht konzentrierte Arbeitsstimmung, Jenny und Isa haben ihre Lehrbücher zwischen den Frühstücksresten ausgebreitet und den freien Morgen den Protokollen gewidmet. Ich lasse mich an den Küchentisch sinken, endlich daheim.
»Komm, Schätzchen, wach auf und fang an!« Jenny schiebt mir ihr Buch hin. »Je schneller wir das hinter uns bringen, umso mehr Wochenende ist übrig.«
Ich habe absolut keine Lust auf Protokollschreiben – muss ich ja auch nicht mehr. Ich will raus, bin fest entschlossen, ein wunderbares oberarztfreies Wochenende zu erleben. Mir fehlt nichts! Zum ersten und vielleicht einzigen Mal bin ich es, die die anderen von der Arbeit abhalten will.
»Gedulde dich, Liebes!«, lacht Jenny. »Erst die Arbeit. Ohne die Protokolle kannst du ja doch nicht abschalten.«
Meine Freundinnen sind entsetzt, dass ich mit meinen Berichten schon so weit bin. Allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Isa hat Angst, selbst nicht genug geleistet zu haben. Jenny dagegen fragt lachend, ob uns wirklich nichts Besseres in der wenigen gemeinsamen Zeit einfällt. Bei der Erinnerung an die vertraute, stille gemeinsame Arbeit werde ich fast sentimental. Isa versteht mich.
»Ich konnte auch bei Tom immer am besten lernen …«, sagt sie. Es bringt mich auf den Boden zurück, dass meine Freundin weit mehr Grund hat, unglücklich zu sein. Also berichte ich Isaund Jenny von meiner morgendlichen Enttäuschung und klinge dabei endlich so abgeklärt, wie ich vorhin schon wirken wollte. Verglichen mit Isas Schicksal ist es doch wohl lächerlich, über Tobias’ Distanziertheit betrübt zu sein. Isa sieht mich an, skeptisch.
»Findest du es wirklich schlimmer, wenn jemand sich von dir trennen MUSS und darunter leidet – als wenn jemand ohne dich sein WILL und kann?« Die Frage ist ernst gemeint. Ich muss schlucken.
»Ist ja nur fürs Wochenende«, halte ich kraftlos dagegen. »Wahrscheinlich würde ich mich sowieso schrecklich langweilen …« Nein, ich mache es hier gerade absolut nicht besser!
Jenny klappt
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