Miss Emergency
das ich jemals aus Jennys Mund gehört habe! »Also Felix?«, frage ich hoffnungsvoll. Doch so sehr will sich meine Freundin nicht festlegen lassen. »Im Vergleich mit Björn liegt er auf jeden Fall vorn«, ist das Einzige, was sie zugibt. »Nur wenn ich bloß noch ihn treffe, werde ich nie in einer Limo rumgefahren!« Dazu fällt mir nichts mehr ein.
»Jetzt komm!« Jenny zieht mich ins Bad zurück. »Was du dir da geschminkt hast, sieht aus wie Bluthochdruck.«
Ich will die Kritik beleidigt zurückweisen – dann aber fällt mein Blick in den Badspiegel. Ich sehe ganz falsch aus; unter der von Jenny kunstfertig arrangierten Frisur leuchtet mein Kopf solariumsrot. Jenny greift zu ihren Instrumenten. »Wenn man nicht alles selber macht«, murmelt sie, aber sie korrigiert meine falsche Farbe im Handumdrehen. Wenn ich sie nicht hätte. Ich wusste gar nicht, dass ich SO aufgeregt bin!
Eine Stunde später hält ein Taxi vor einem teuren Restaurant und eine wunderschöne Frau im Abendkleid steigt aus. Zugegeben, ihre Hände zittern. Nicht nur, weil sie keinen Mantel mithat, um das Kleid nicht zu entstellen – sie hat auch allmählich den leisen Verdacht, gerade eine ziemliche Dummheit zu begehen. Wenn das Taxi nicht schon wieder davongebraust wäre, würde ich jetzt doch wieder einsteigen und zurück nach Hause fahren. Doch zu spät. Hier stehe ich nun. Idiotisch! Ich blase den Plan ab. Was soll er denn denken? Meine Geschichte glaubt er mir niemals! Ich werde mir sofort ein Heimfahrtstaxi rufen.
Am Straßenrand parkt ein grüner Wagen ein. Na klar. Ausgerechnet jetzt, da ich eben zur Besinnung gekommen bin. Tobias steigt aus, noch hat er mich nicht gesehen. Ich mache mich klein, trete an die Straßenecke. Wie peinlich! Von der anderen Seite geht ein Paar an mir vorbei, ein älterer Herr und eine große Blondgelockte. Sie halten auf Tobias zu, begrüßen ihn. Aha. Zu dritt. Na, das muss ja eine tolle Verabredung sein, bei der er lieber das dritte Rad am Wagen ist, als mich mitzunehmen. Ich schaue konzentriert in die andere Richtung. Aber wenn er dich jetzt sieht, Lena … Trau dich doch! Er WIRD dich fragen. Sei locker, deine Geschichte steht! Ich drehe mich wieder um. Und genau jetzt steht er vor mir. Seine Miene ist erschrocken. Er sagt nichts. Die große Blondine lächelt mich an. »Lena, was machst du denn hier?!«
Nein, nein, nein! Sollte es nicht Instinkte geben, die einen vor solchen Situationen bewahren? Die Blonde ist mir schrecklich bekannt, warum habe ich es nicht gleich begriffen?! Die Ähnlichkeit mit Jenny war doch schon am Gang unverkennbar, dasaufdringliche Parfum ist unverwechselbar! Jennys Mutter. Der Mann neben ihr muss Jennys Vater sein, der snobistische Professor, der sich mit Anerkennung so schwertut. Autsch.
Jennys Mutter küsst mich spitz auf beide Wangen, ich bin wie gelähmt. Sie stellt mich vor. »Jennys reizende Mitbewohnerin – mein Mann. Und Dr. Thalheim kennst du ja.« Nö, liebe Frau, nur ganz von Weitem. Sieh ihn doch an, seine Miene sagt so deutlich, dass wir uns überhaupt kein bisschen kennen. Dass er mich gerade überhaupt nicht kennen möchte. Dass er nicht fassen kann, dass ich ihm hier auflauere. Verdammt. Ich setze an, meine blöde Geschichte zu erzählen, unterbreche aber schnell, als mir aufgeht, dass mein Alibi so absolut nicht funktioniert. Wenn ich jetzt sage, dass ich gleich mit Jenny verabredet bin, werden sie vielleicht warten? Wäre doch eine nette Gelegenheit, mal die einzige Tochter auszuführen. Ich weiß, sie sind in der Regel nicht so herzlich. Aber wer sagt, dass sie nicht ausgerechnet heute damit anfangen?! Plötzlich traue ich mich auch nicht mehr, Isa als Alibi zu benutzen – voller Argwohn, dass sie dann vielleicht die andere Mitbewohnerin ihrer Tochter kennenlernen möchten. Die auch nicht hier ist. Hilfe! Und Tobias’ Blick würde ausreichen, um mich zu einem Eisblock zu gefrieren.
»Ich war mit Freunden essen«, sage ich schließlich nur. »Und jetzt muss ich dringend heim.«
Ganz klar: Er glaubt mir nicht richtig.
»Nehmen Sie doch einen Drink mit uns«, lächelt der Jenny-Vater. Tobias sieht weg. Ich beteuere eilig, ich müsse wirklich los.
Jennys Mutter befreit mich. »Ein junges Mädchen will doch den Samstagabend nicht mit ihrem Vorgesetzten verbringen.«
Danke. Ich verabschiede mich endlich. Denn wenn eins deutlich wurde, dann dass ein Vorgesetzter den Samstagabend nicht mit einem jungen Mädchen verbringen will.
Ich verkrieche mich
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