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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rothe-Liermann Antonia
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für die Testamentsbeilage« verfolgt, heute nun sammelt er Promotionsthemen; ich schätze, er braucht einfach was zu tun. Wenn es ihn von der Angst vor der OP ablenkt, werde ich bestimmt nicht sagen, dass seine engagierte Themenausformulierung an mich verschwendet ist!
    Am unangenehmsten für meinen Patienten ist die Herzkatheteruntersuchung, bei der die Schwere der Verengung beurteilt werden soll. Dies ist nicht ganz risikofrei, ich bin ziemlich aufgeregt, als ich mit dem Professor ins Katheterlabor hinunterfahre. Natürlich führe nicht ich die Untersuchung durch. Aber all die vorbereitenden Tests, die Komplikationen bei der Herzkatheteruntersuchung ausschließen sollen, unterlagen meiner Verantwortung. Zum ersten Mal. Ja, ich habe alles mit Dr. Gode abgesprochen, jeden Befund kontrollieren lassen. Die ganze Mittagspause habe ich damit verbracht, alles noch und noch mal durchzusehen. Ich HABE nichts vergessen. Trotzdem. Als ich die Bleischürze anlege, muss ich schwer durchatmen. Ich wäre um einiges entspannter, hätte man mir im Studium nicht zu jeder Untersuchung auch die Letalitätsrate beigebracht. Ich weiß, wie viel schiefgehen kann. Beruhige dich, Lena, eine Kontrastmittelallergie ist nicht bekannt, Dehmels Nieren sind in Ordnung und die Schilddrüse hast du auch untersuchen lassen! Kannst du jetzt bitte lockerlassen, du machst sonst noch deinen Patienten verrückt!
    Eine Schwester spritzt dem Professor ein Beruhigungsmittel, ich trete noch einmal zu ihm, bevor die Schleuse für den Katheter eingeführt wird. »Keine Sorge«, sage ich – unter dem Vorwand, nur IHN zu beruhigen –, »es wird alles gut gehen.« Wie sieht die Punktionsstelle aus? Es kann Nachblutungen geben. Gefäßanomalien. Ein Aneurysma … Mann, Lena, lass das!
    »Wissen Sie was?«, fragt der Professor nachdenklich. »Wenn ich das hier so sehe, denke ich, Sie sollten doch im Strahlenschutz forschen …« Er lächelt und schließt die Augen, das Beruhigungsmittel wirkt.
    »Mal sehen«, antworte ich leise. Und bin endlich auch ganz ruhig.
    Die Ärztin lässt mich die Koronarangiographie am Röntgenbildschirm mit ansehen und beurteilen. Die Gefäßverengung ist gut zu lokalisieren, die Ärztin nickt mir zu. »Wann operieren Sie denn den alten Herrn?« Am Montag. Wenn alles gut geht. Sie lächelt. »Na dann legen Sie ihm eine schöne Umleitung, dann wird er bestimmt hundert.« Ich lächle zurück. Danke! An dich, dass du meine kurzfristige Panik gar nicht bemerkt hast und glaubst, ICH könnte so eine OP durchführen. Und an mich selbst, dass ich mittlerweile offenbar meine Unsicherheit so weit im Griff habe, dass ich schon mal den Patienten UND eine erfahrene Kardiologin darüber hinwegtäuschen kann. Dann ist es vielleicht wirklich nur noch ein kleiner Schritt, bis ich auch mich selbst nicht mehr so gemein nervös mache.
    Zum Feierabend bin ich ziemlich erschöpft. Doch gerade als ich zum Dienstende-Aufatmen Luft hole, tickt ein typisches Absatzklackern über den Gang, Oberärztinnenabsätze. Eine winzige Kopfbewegung. »In mein Büro!«
    Okay, Lena, jetzt gilt es. Du weißt, worum es gehen wird. Du hast dir nichts vorzuwerfen, SIE hat dir nichts mehr vorzuwerfen. Du hast dir den Patienten nicht geschnappt, sie hat ihn dir gegeben. Und auch wenn es dich gestern noch entsetzt hat – letztlich ist es genau das, was du möchtest: die OP des Professors.
    »Wir machen also am Montag den Bypass«, sagt Dr. Thiersch und überfliegt Dehmels Akte. »Alles so weit vorbereitet?« Ich nicke. Weil sie nicht aufschaut, räuspere ich mich und bejahe noch einmal laut und deutlich. Sie steht nicht auf langes Palaver, das weiß ich inzwischen. Sollte ich trotzdem noch mal aufzählen, welche Stationen mein Professor und ich im Einzelnen durchlaufen haben? Nur wegen der Kompetenzwirkung? Ich liefere eine Zusammenfassung, endlich sieht sie auf. »Gut gemacht.« Punktsieg, Lena! Dein erstes Lob von der Eisprinzessin! Es kommt mir vor, als hätte noch nie im Leben jemand irgendeine meiner Taten anerkannt, so gut fühlt sich ihre Bestätigung an. Ich wette, ich strahle heller als ihre Designer-Neon-Schreibtischlampe.
    Dr. Thiersch sieht in die Akte, runzelt die Stirn. Was hat sie? Glückskuli, steh mir bei! Habe ich Blödsinn geschrieben? Es sind ziemlich viele Seiten mit Bemerkungen in meiner Schrift. Zu viele? Wirkt das unsicher? Der Blick, der mich gleich darauf trifft, ist nicht wirklich böse. Aber bitterernst. »Das ist eine hoch komplizierte OP, Frau

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