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Miss Lonelyhearts

Miss Lonelyhearts

Titel: Miss Lonelyhearts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathanael West
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grüßten ihn und redeten weiter. Einer von ihnen beklagte sich über die vielen weiblichen Schriftsteller.
    «Und dann haben sie auch noch alle drei Namen. Mary Roberts Wilcox, Ella Wheeler Catheter, Ford Mary Rinehart … » 20
    Dann löste einer eine ganze Flut von Geschichten aus mit der Bemerkung, ihnen allen täte eine gehörige Vergewaltigung gut.
    «Ich kannte mal eine Schnalle, die ganz in Ordnung war, bis sie in eine Clique geriet und literarisch wurde. Sie begann für die kleinen Zeitschriften zu schreiben, wie weh ihr Schönheit tue, und gab ihrem Freund, der Kegelbube in einem Kegelschuppen war, den Laufpass. Die Jungs aus der Nachbarschaft wurden sauer und nahmen sie eines Abends mit auf das leere Grundstück. Etwa acht von ihnen. Haben sie gründlich durchgebumst.»
    «Das ist wie die Geschichte, die von einer anderen Schriftstellerin erzählt wird. Als diese knallharten Sachen aufkamen, hat sie ihren pseudobritischen Akzent an den Nagel gehängt und sich auf das Genre ‹Verhauen und Verduften› verlegt. Hing mit einem Haufen Kerls in einer Flüsterstube rum und sammelte Material für einen Roman. Nun ja, die Kerls wussten nicht, dass sie pittoresk waren, und dachten, sie ist in Ordnung, bis der Barkeeper ihnen ein Licht aufsteckte. Sie haben sie ins Hinterzimmer mitgenommen, um ihr ein neues Wort beizubringen, und sie da fix und fertig gemacht. Drei Tage lang haben sie sie nicht rausgelassen. Am letzten Tag haben sie Eintrittskarten an Nigger verkauft … »
    Miss Lonelyhearts hörte nicht mehr zu. Seine Bekannten würden diese Geschichten immer weiter erzählen, bis sie zu betrunken waren, um noch ein Wort herauszubringen. Sie merkten, dass sie kindisch waren, aber wussten nicht, wie sie sich sonst rächen konnten. Auf dem College und vielleicht noch ein Jahr danach hatten sie an die Literatur geglaubt, hatten an Schönheit geglaubt und den individuellen Ausdruck für ein absolutes Ziel gehalten. Als ihnen dieser Glaube abhandenkam, verloren sie alles. Geld und Ruhm bedeuteten ihnen nichts. Sie waren nicht von dieser Welt.
    Miss Lonelyhearts trank stetig vor sich hin. Er lächelte ein unschuldiges, amüsiertes Lächeln, das Lächeln eines Anarchisten, der mit einer Bombe in der Tasche im Kino sitzt. Wenn die Leute um ihn her nur wüssten, was er in der Tasche hatte. Bald würde er hinausgehen und den Präsidenten ermorden.
    Erst als er seinen eigenen Namen hörte, stellte er sein Lächeln ein und hörte wieder zu.
    «Er ist ein Lepralecker. Shrike sagt, er ist drauf aus, Leprakranke zu lecken. Barkeeper, einen Leprosen für den Herrn da.»
    «Wenn Sie keinen Leprosen haben, dann geben Sie ihm einen Zigeuner, einen ungarischen.»
    «Eben, das ist das Problem mit seinem Verhältnis zu Gott. Es ist zu verdammt literarisch – Choralgesang, lateinische Gedichte, mittelalterliche Gemälde, Huysmans, 21 Buntglasfenster und dieser ganze Scheiß.»
    «Selbst wenn er ein echtes religiöses Erlebnis hätte, wäre es rein privat und also bedeutungslos, außer für einen Psychologen.»
    «Das Problem mit ihm, das Problem mit uns allen ist, dass wir kein Außenleben haben, nur ein Innenleben, und zwar zwangsläufig.»
    «Er ist ein Eskapist. Er möchte seinen inneren Garten bestellen. Aber man entkommt nicht, und wo findet er einen Markt für die Früchte seiner Individualität? Die Farmerbehörde 22 ist gescheitert.»
    «Ich sage immer, man muss schließlich seinen Lebensunterhalt verdienen. Wir können nicht alle an Christus glauben, und was kümmert den Farmer die Kunst? Er zieht die Schuhe aus, um das warme Gefühl der fetten Erde zwischen den Zehen zu spüren. In der Kirche kann man die Schuhe nicht ausziehen.»
    Miss Lonelyhearts hatte wieder zu lächeln begonnen. Wie Shrike, der Mann, den sie nachäfften, waren sie Witzmaschinen. Eine Knopfmaschine fertigt Knöpfe, einerlei mittels welcher Antriebskraft, mittels Füßen, Dampf oder Elektrizität. Seine Bekannten, einerlei, wovon angetrieben, vom Tod, von der Liebe oder von Gott, fertigten Witze.
    «Waren ihre Possen die einzige Barriere?», fragte er sich. «Bin ich an einer so niedrigen Hürde gescheitert?»
    Der Whisky war gut, und er fühlte sich warm und sicher. Hinter dem hellblauen Tabakrauch leuchtete die Mahagonitheke wie nasses Gold. Die Gläser und Flaschen mit ihren berstenden Schlaglichtern klingelten wie eine Batterie von Glöckchen, wenn der Barkeeper mehrere zusammen anstieß. Dass sein Herz eine Bombe war, vergaß er, um sich stattdessen

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