Miss Marples letzte Fälle
und ihre Schürze. Er konzentrierte sich auf seine Arbeit. Mr Petherick hingegen sprach aus einem ganz anderen Grund mit ihr. Er nahm sie als Pe r son wahr. Und darauf baute die Frau, die den Mord b e ging, ihren Plan auf.‹
Da sie immer noch nicht begriffen, musste ich es ihnen erklären. ›Ich glaube, dass die Ereignisse sich so zutr u gen‹, sagte ich. ›Das Zimmermädchen kam durch die Tür A, ging durch Mr Rhodes ’ Zimmer in Mrs Rhodes ’ Zi m mer mit der Wärmflasche und verließ den Raum durch Tür B. X, so will ich die Mörderin nennen, ging durch Tür B in den kleinen Vorraum, versteckte sich dort und wartete, bis das Zimmermädchen gegangen war. Dann betrat sie Mrs Rhodes ’ Zimmer, nahm das Stilett von der Frisierkommode (zweifellos hatte sie sich vorher mit den Örtlichkeiten vertraut gemacht), ging zum Bett und e r stach die Schlafende. Dann wischte sie die Fingerabdr ü cke von der Waffe, verriegelte die Tür, durch die sie g e kommen war, und ging durch Mr Rhodes ’ Zimmer nach draußen.‹ Mr Rhodes sagte erregt: ›Aber ich müsste sie gesehen haben! Und der Elektriker hätte sie in das Zi m mer meiner Frau gehen sehen müssen.‹
›Nein‹, erwiderte ich. ›Da liegt der Fehler. Sie hätten sie beide nicht bemerkt – nicht, wenn sie wie ein Zimme r mädchen gekleidet war.‹ Ich wartete, bis sie den Satz ve r daut hatten, und fuhr dann fort: ›Sie waren mit Ihrer A r beit beschäftigt. Nur aus dem Augenwinkel sahen Sie ein Zimmermädchen kommen und gehen. Es war dieselbe Kleidung, aber nicht dieselbe Frau. Deshalb sahen die Zeugen auch nur ein Zimmermädchen. Das Gleiche gilt für den Elektriker. Ich wage zu behaupten, dass ein sehr hübsches Zimmermädchen vielleicht von einem Mann auch als Frau gesehen wird. Das liegt nun einmal in der menschlichen Natur. Aber hier handelte es sich um eine ganz gewöhnliche ältere Frau. Also achtet man nur auf die Kleidung, aber nie auf den Menschen.‹
Mr Rhodes fragte aufgeregt: ›Und wer war sie?‹
›Nun‹, antwortete ich, ›das ist etwas schwierig. Entw e der Mrs Granby oder Miss Carruthers. Die Beschreibung von Mrs Granby klingt, als trüge sie eine Perücke, sie hätte also in ihrer Verkleidung als Zimmermädchen ihr eigenes Haar lassen können. Auf der anderen Seite hätte Miss Carruthers bei ihrem kurz geschnittenen Haar durchaus eine Perücke aufsetzen können. Das wird leicht herauszufinden sein. Ich tippe auf Miss Carruthers.‹
Und wirklich, meine Lieben, das ist das Ende der G e schichte: Carruthers war ein falscher Name, sie war die Mörderin. In ihrer Familie hatte es schon Fälle von Gei s teskrankheit gegeben. Mrs Rhodes, eine rücksichtslose Autofahrerin, hatte ihr kleines Mädchen bei einem Unfall getötet, und die arme Frau war darüber wahnsinnig g e worden. Doch sie verbarg ihren Wahnsinn sehr geschickt, außer dass sie ihrem späteren Opfer jene hässlichen Drohbriefe schrieb. Sie war Mrs Rhodes schon eine Weile gefolgt und hatte ihren Plan sorgfältig vorbereitet. Die Perücke und die Verkleidung hatte sie am nächsten Tag mit der Post weggeschickt. Als man sie mit der Wahrheit konfrontierte, brach sie zusammen und gestand alles. Jetzt ist sie in einer Heilanstalt.
Mr Petherick besuchte mich später und brachte mir e i nen ganz reizenden Brief von Mr Rhodes, der mich ganz verlegen machte. Dann sagte mein alter Freund zu mir: ›Nur eins möchte ich noch wissen. Warum dachten Sie eher an Miss Carruthers als an Mrs Granby. Sie kannten doch beide nicht.‹
›Nein‹, antwortete ich. ›Sie sagten, dass sie mit näselnder Stimme sprach. Das tun viele Leute in Büchern, doch in Wirklichkeit trifft man kaum solche Menschen. Und di e ses Näseln ließ mich an jemand denken, der eine Rolle spielt und zu viel des Guten tut.‹
Ich werde euch Mr Pethericks Antwort darauf ersparen – sie war sehr schmeichelhaft –, ich war ein bisschen stolz auf mich.
Und es ist wirklich schön, wie sich die Dinge manchmal zum Guten wenden. Mr Rhodes hat wieder geheiratet. Ein so nettes Mädchen, und sie haben ein Baby. Und was soll ich euch sagen? Sie haben mich gebeten, Patin für das Kind zu sein. Ist das nicht nett von ihnen?
Nun, ich hoffe, ihr denkt nicht, dass ich zu viel geredet habe.«
Die Puppe der Schneiderin
D ie Puppe lag in einem tiefen samtbezogenen Sessel. Im Zimmer herrschte Halbdunkel; der Himmel über London war wolkenverhangen. In dem graugrünen Dämmerlicht schienen die sa l beigrünen Möbelbezüge, die
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