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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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war so lebhaft, dass sie zunächst gar nicht mitbekam, was Hicks weiter zu ihr sagte. Als sie hörte, wie er von der »jungen Dame in dem Fall« sprach, drehte sie sich jäh um und sah ihn an. »Was für eine junge Dame?«, wollte sie wissen.
    »Ich glaube, sie ist seine Cousine oder jedenfalls mit ihm verwandt«, meinte Hicks achselzuckend. »Soweit ich weiß, ist sie sehr wohlhabend und stammt aus einer angesehenen Familie. Man würde ihr sicher niemals erlauben, einen armen Schlucker wie Holland zu ehelichen. Das wird er wohl auch wissen und sich die Dringlichkeit, seine finanzielle Situation zu verbessern, vor Augen geführt haben.«
    Liebste Susannah!
    »Und wie er sich bei der Rückkehr nach Woolthorpe Manor verhalten hat!«, fuhr Hicks fort. »Holland gab zu, es handele sich um geheime Informationen, aber als es darum ging, Schritte einzuleiten, um die Verbrecher zu demaskieren, hat er uns, wo immer möglich, einen Strich durch die Rechnung gemacht: Angeblich war es seine Sache, und er würde entscheiden, was getan werden müsse und was nicht. Mr. Somerville und Mr. Déprez konnten seiner Ansicht nach einfach herumsitzen und die Hände in den Schoß legen. Als Holland sich dann aus heiterem Himmel entschied, auf der Stelle nach London zu fahren und das ganze belastende Material mitzunehmen, schloss Déprez sich ihm an. London ist eine unglaublich große Stadt, müssen Sie wissen, und der Captain durfte ja nicht einfach untertauchen.«
    Während seines Monologs war Hicks immer erregter geworden, doch als er bemerkte, was seine Worte bei Mary auslösten, stieß er einen Seufzer aus. Sie war kreidebleich geworden und schloss nun die Augen.
    »Es tut mir leid, Miss Finch. Sie möchten dies alles lieber nicht wahrhaben. Das kann ich Ihnen nicht verdenken«, sagte er mit sanfter Stimme. »Sie glaubten, er habe Ihnen geholfen, und...«
    »Das hat er auch.« Sie schlug die Augen wieder auf und versuchte Hicks anzulächeln. »Ich bemühe mich, vernünftig zu sein«, verteidigte sie sich, »doch es gelingt mir nicht... Vieles verstehe ich nicht, und anderes, bitte vergeben Sie mir, wenn ich das so sage - ergibt nicht wirklich Sinn.«
    Hicks stimmte ihr zu. »Die ganze Angelegenheit ist höchst kompliziert, aber Mr. Déprez wird am besten wissen, wie weiter zu verfahren ist.«
    Mary nickte nachdenklich. Ja, Mr. Déprez. Er würde dieses … Rätsel verstehen. Offenbar ruhten nun alle Hoffnungen auf ihm.
    Die Kutsche fuhr inzwischen langsamer, und Hicks blickte aus dem Fenster. »Ah, wir sind in Woodbridge. Hier müssen die Pferde gewechselt werden, bevor es weiter nach Ipswich geht. Ich werde zusehen, für Sie eine Kutsche zu finden, die Sie zurück nach Lindham Hall bringt.«
    Vor Marys innerem Auge tauchten immer wieder Bilder auf, die nicht miteinander in Einklang zu bringen waren, aber an der einen unumstößlichen Tatsache hielt sie fest: Die Entschlüsselung funktionierte so nicht, oder war zumindest nicht ganz stimmig. Was war sie Captain Holland eigentlich schuldig? Wenn er etwas Falsches getan hat, warum sollte ich mich dann um ihn sorgen, wenn es doch anderes,Wichtigeres zu bedenken gibt?Verrat und Spionage … Beim Ausspannen der Pferde ruckelte es im Wagen, und Mr. Somervilles Kutscher brüllte seine Befehle, während die »gottverdammte Trense« angelegt wurde.
    Einer plötzlichen Eingebung folgend, wandte Mary sich an ihren Begleiter. »Mr. Hicks, würden Sie mich mitnehmen?«
    »Mitnehmen … nach Ipswich?«
    »Nein … nach London.«
    Er machte gerade Anstalten, sich zu erheben, doch ihre Worte ließen ihn wieder auf den Sitz zurücksinken. Er blickte sie ungläubig an. »Sie wollen nach London fahren?«, wiederholte er.
    »Ja. Was meinen Onkel anbelangt, … da gebe ich Ihnen recht, aber ich glaube, es gibt noch viel wichtigere Dinge, die in Betracht gezogen werden müssen. Wir haben uns alle voll und ganz auf die Entschlüsselung verlassen - das heißt Captain Holland und Mr. Déprez...«
    »Aber...«
    »Ja, ich weiß, Sie vertrauen dem Captain nicht, und vielleicht haben Sie damit auch recht.« Diese letzten Worte sprach sie sehr schnell und mit zunehmender Inbrunst. »Ich bin mir nicht sicher, doch unabhängig davon hat Mr. Déprez Entscheidungen getroffen, die er möglicherweise nicht getroffen hätte, wenn er gewusst hätte, dass die Entschlüsselung so nicht ganz stimmig ist. Er muss umgehend in Kenntnis gesetzt werden. Es kann doch sein, dass er manches noch einmal überdenken muss oder … Er

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