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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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Schmugglern alles erklären können, ohne sein gutes Verhältnis zu Ihnen aufs Spiel zu setzen? Mit der Inszenierung einer wagemutigen Flucht mitsamt einem Schlag auf den Kopf und einer blutigen Nase wurde er jedoch gleichzeitig zum unschuldigen Opfer und ritterlichen Retter. Etwas Besseres hätte ihm gar nicht einfallen können, um uns alle ihm gegenüber gutgläubig zu stimmen.«
    »Aber so war das alles doch gar nicht«, behauptete Mary. »Sie missverstehen da etwas.« Bereits als sie diese Worte ausgesprochen hatte, überkam sie jedoch ein nagender Zweifel. Hicks’ Sichtweise war zwar mit ihrer eigenen Erinnerung nicht in Einklang zu bringen, aber konnte sie sich denn sicher sein, dass ihr Gedächtnis unfehlbar war? Sie hatte so Befremdliches und Furchterregendes erlebt - vielleicht hatte sie selbst damals nicht genau verstanden, was eigentlich vor sich ging.
    »Vielleicht ist es ihm aber auch gelungen, den Schmugglern alles zu erklären«, schlug Hicks vor, »als er noch einmal allein zu ihnen ging, um das Pferd zu holen. Das kam ziemlich überraschend, muss ich sagen. Warum hat er die Flucht gefährdet, indem er vorher noch das Pferd holte?«
    »Ja-a«, pflichtete Mary ihm bei, »ich … ich dachte damals genau das Gleiche.« Dann zögerte sie kurz und biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte es gedacht. Und dann war da noch der Mann auf der Landstraße, der sie auf der Auffahrt zuWhite Ladies dicht passiert hatte, auf den Captain Holland aber wenige Augenblicke später nicht gestoßen war. Zumindest hatte Captain Holland gesagt, ihm sei niemand begegnet. »Aber wir sind doch geflohen«, insistierte sie und versuchte, ihre Zweifel hinunterzuschlucken. »Und jemand versuchte, uns zu stoppen...«
    »Indem er Ihnen hinterherrief? Der Kerl gab jedenfalls ganz schön schnell auf. Schließlich hat man weder auf Sie geschossen noch die Verfolgung aufgenommen. Und nachdem er sich uns allen gegenüber als Held und als Soldat präsentiert hatte, ließ Holland Sie bei Mrs. Tipton zurück.«
    Vor ihrem geistigen Auge sah Mary, wie Holland sie an ihrem letzten gemeinsamen Abend in Lindham Hall angelächelt hatte, als er vorschlug, sie könnten brieflich in Kontakt bleiben. Bei der Erinnerung an seine Worte und ihre Begeisterung darüber errötete sie heftig. War es dumm von ihr gewesen, ihm Glauben zu schenken? »Er konnte doch nicht wissen, dass ich die Dokumente finden würde«, protestierte sie.
    »Das nicht, aber er wird wohl davon ausgegangen sein, dass irgendwelche verdächtigen Unterlagen auftauchen. Und wie günstig es sich doch fügte, dass gerade jene Papiere, die Sie fanden, von Dingen handelten, mit denen er sich besonders gut auskannte. Ich möchte wetten, er ist der am besten qualifizierte Mann in ganz England, um den Inhalt der Dokumente zu erklären.«
    »Ja«, musste Mary kleinlaut eingestehen, »das hat er mir auch gesagt.«
    »Ach nein, hat er das? Und hat er sonst noch etwas gesagt?«
    Mary nickte und sprach dann fast im Flüsterton: »Er sagte, er sei kein Spion.«
    » Das hat er gesagt?«, fragte Hicks noch einmal nach. Dann hob er die Hände in einer sprechenden Geste, als wäre nun alles ganz klar. »Er muss gewusst haben, dass er sich verdächtig gemacht hat, und wollte wohl bluffen.«
    »Ja, aber … ach, ich weiß es nicht.« Sie schüttelte abermals den Kopf und entsann sich, dass sie Holland am Vorabend plötzlich selbst wieder verdächtigt hatte. Allerdings beschloss sie, Hicks gegenüber nichts davon verlauten zu lassen. »Diese Papiere... Warum wollte er sie unbedingt an sich nehmen?«
    »Damit sie keinen weiteren Schaden anrichten können, meine liebe Miss Finch … Damit wir, Mr. Déprez und ich, und natürlich auch Sie, keinen Zugriff mehr darauf haben. Denn Sie hatten ja von Anfang an Ihre Zweifel. Es dauerte nur eine Weile, bis Sie das Puzzle zusammensetzen konnten.«
    »Stimmt, aber ich habe nie … nicht so etwas .« Sie richtete sich auf und straffte ihre Schultern gegen die Rückenlehne. »Was sagt eigentlich Mr. Déprez dazu?«
    »Mr. Déprez war schon seit geraumer Zeit nicht sehr glücklich mit Captain Holland. Holland ist kein wohlhabender Mann, müssen Sie wissen, und diese Informationen hätte er sich gut versilbern lassen können. Die Versuchung war bestimmt groß.«
    Mary nickte. Gleichzeitig klang ihr in den Ohren, wie Holland gesagt hatte, es wäre dumm von ihr, keinen Gedanken an das Geld ihres Onkels zu verschwenden - und er würde unentwegt an Geld denken. Die Erinnerung

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