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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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Mutter ist die beste Komplizin, die sich ein Verbrecher wünschen kann.« Déprez’Worte klangen eindringlich, aber als Antwort erhielt er nur ein halbherziges Achselzucken.
    »Was haben Sie? Sie sehen ziemlich müde aus.«
    »Schon möglich«, gestand Holland. »Zu müde, um noch mehr Zeit zu vergeuden.« Er seufzte und rieb sich die Augen.
    »Was ist nun mit dem Mace & Cells? Sie sagten, es befände sich in der Nähe des Towers an einem Ort namens St. Catharine’s.«
    »St. Catharine’s liegt in der Nähe des Towers, und ich sagte, dass es dort vielleicht ein Lokal gibt, das Mace & Cells heißt«, korrigierte ihn Holland.
    »Nun, es lohnt sich doch sicher, das herauszufinden, oder? Wenn die Botschaft sich auf ein Treffen am morgigen Tag bezieht, wird Sehler vielleicht auch kommen. In der Botschaft ist ja schließlich die Rede von ihm.«
    Holland sah Déprez neugierig an. »Sie sind sehr willensstark.«
    »Und Sie etwa nicht?«
    Diese Frage löste eine Veränderung in Hollands Auftreten aus. Egal welches Interesse er an seinem Gefährten auch gehabt haben mochte, jetzt löste es sich in Luft auf. Er wurde vorsichtig und äußerst reserviert. »Gut, in Ordnung. Wir schauen uns dort um, aber damit hat es sich dann.«
    »Einverstanden. Wollen wir zu Fuß gehen?«
    Sie gingen nach Süden zur Themse, auf Hollands Vorschlag hin bogen sie jedoch auf den Eastcheap ab, um die vielen Menschen am Monument und das Gedränge auf dem Billingsgate Markt zu vermeiden. Trotzdem kamen ihnen immer wieder Fahrzeuge in die Quere, weil auch Männer mit ihren Fuhrwerken die schmalere Straße benutzten, um schneller voranzukommen. Um diese Uhrzeit zog es die meisten vom Fluss weg: Fischhändler, die ihre Stände verriegelt hatten, oderTransporteure mit Waren aus den Docks. Auf der Thames Street, meinte Holland zu Déprez, würde noch mehr los sein.
    »Ja, auf dem Weg zum Zollhaus muss Hochbetrieb herrschen«, sagte Déprez. »Ich habe das auch schon erlebt, als ich vor Jahren einmal eine Rohrzuckerladung begleitet habe. Eine sehr interessante Reise, nur der Papierkram am Ende war ermüdend. Der Papierkram ist das Schlimmste am Geschäft - und Verluste natürlich. Wissen Sie, ich musste eine erhebliche Summe zahlen, damit meine Ladung unverzüglich gelöscht werden konnte. Man sagte mir, dass unverzollte Güter üblicherweise auf Leichtern gelagert werden und man für alles andere einen Zuschlag entrichten muss.«
    »Es war sicher klug von Ihnen, den zu zahlen«, sagte Holland. »Auf der Themse ist Diebstahl ein großes Geschäft. Wäre die Ladung an Bord geblieben oder auf Leichter geschafft worden, hätten Sie bestimmt einen Großteil davon eingebüßt.«
    »Ja, so sehe ich das auch. Und die Banden haben äußerst abstrus klingende Namen: »Schlammlerchen« oder »Krawalljäger«. Wo sie die nur herhaben? Und das da vorn«, fügte er noch hinzu, als Holland nichts erwiderte, »muss der Tower sein.«
    Im Gehen blickte Déprez zu dem furchterregenden Gebäudekomplex hoch. »›Ihr Jul’schen Thürme, London’s ew’ge Schand’ / Ihr saht manch’ schnöden Mord bei Nacht‹«, rezitierte er. Unvermittelt griff Holland ihn am Arm, um zu verhindern, dass er unter die Räder eines Fuhrwerks geriet. »Oh, besten Dank!«, sagte er kleinlaut. Sie überquerten eilig die belebte Straße, und Déprez fuhr mit seiner Erklärung fort: »London ist ein sehr beliebter literarischer Stoff. Poeten haben über diese Stadt schon häufig geschrieben, obgleich nicht immer eine Lobeshymne.«
    »Ach ja?«, fragte Holland mit gleichgültiger und nichtssagender Stimme. Dann legte er ihm nahe, nicht wieder auf die andere Straßenseite zu wechseln, da ihr Weg sie weiter geradeaus führte. Nachdem sie sich an einer Menschenmenge vorbeimanövriert hatten, die sich um einen Wagen mit gebrochener Achse gebildet hatte, gab er zu: »Mit solchen Dingen kenne ich mich nicht so aus. Leider. Gedichte, meine ich, und … Geschichte.«
    Déprez blickte den Mann, der neben ihm ging, an. Wieder gab es, typisch für Holland, eine unerwartete Wendung in ihrem Gespräch. Plante er das? Wollte er Déprez damit irgendwie entwaffnen und seine Sympathie gewinnen? Déprez glaubte dies nicht, aber es verkomplizierte auf alle Fälle seine Arbeit. Er musste Holland verstehen und vorhersehen können, was er als Nächstes tat. Dieser jedoch brachte ihn immer wieder - wenn auch vielleicht unbewusst - aus dem Gleichgewicht.
    Déprez entgegnete vorsichtig. »Wirklich? Das überrascht

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