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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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Gräten.«
    Ihre Überraschung war so groß, dass sie, ohne nachzudenken, antwortete. »Und zuweilen ist sie bereits schlecht. Oh! Ich meine natürlich nicht hier, ich hatte nur einmal Fischpastete, und die … war schlecht. Aber die Suppe ist hier sehr gut«, fügte sie geschwind hinzu. »Ich fand sie jedenfalls sehr gut.« Einen Augenblick lang sah sie ihn direkt an, dann senkte sie den Blick. Etwas Lächerlicheres hätte sie wohl kaum von sich geben können.
    Erstaunlicherweise schien er nicht dieser Ansicht zu sein, denn als Mrs. Bamford kurze Zeit später erschien, sagte er nur, sie möge ihm auf die Empfehlung der jungen Dame hin die Suppe bringen. Mrs. Bamford nickte, und nach einigen Nachfragen kamen noch Bier, Brot mit Käse und ein Quartier für die Nacht hinzu. Er war mit allem einverstanden. Insbesondere nachdem sie ihn davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass die nächste Kutsche nach Norwich nicht vor fünf Uhr morgens abführe, wollte er gerne wissen, ob es überhaupt noch ein freies Zimmer gäbe. Der Hof war bei seiner Ankunft voller Leute gewesen.
    »Selbstverständlich, Sir«, Mrs. Bamford strahlte ihn an, »ich habe ein wunderbares Zimmer nach hinten heraus für Sie.Wir sind alle heute Abend etwas in Aufregung«, vertraute sie ihm an, »wegen des Unglücks, aber es geht nur um das eine Zimmer, und ich bezweifle, dass der Ärmste es lange brauchen wird.« Sie schniefte, wendete sich Mary zu und verdrehte mitfühlend die Augen.
    »Ein Unfall?«
    »Ja, Sir, ein furchtbarer Unfall auf der Stowmarket Road. Diese arme junge Lady hier«, dabei deutete sie wiederum mit dem Kopf in Marys Richtung, »war ein - ein Engel der Barmherzigkeit für den verletzten Gentleman. Mutterseelenallein hat sie an seiner Seite ausgeharrt, als er die Besinnung verlor und aufschrie. Ach, es war mitleiderregend. Sie hätten das Blut sehen sollen, Sir, und sein armes Bein. Als sie ihn hereintrugen …«
    »Schon gut«, der Offizier blickte finster drein und sah zu Mary herüber, »die junge Dame will das sicher alles gar nicht hören.«
    »Ach«, entfuhr es Mrs. Bamford, die das für eine eher sonderbare Anmerkung hielt. »Vermutlich haben Sie als Offizier schon alle möglichen Todesarten zu Gesicht bekommen. Männer, die im besten Alter niedergestreckt wurden und …«
    »Sicher, aber nicht vor dem Abendessen.«
    »Und die meisten - äh?« Sie hielt abermals inne, da sie nicht wusste, wie sie fortfahren sollte. »Nun, Sir, es war ein schrecklicher Unfall, daran besteht kein Zweifel. Ich werde … mich dann jetzt um Ihr Zimmer kümmern.«
    »Ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet. Und vergessen Sie bitte die Suppe nicht.«
    »Jawohl, Sir«, erwiderte Mrs. Bamford mit einem aufgesetzten Strahlen. Beim Weggehen konnte sie sich allerdings ein verständnisloses Kopfschütteln nicht verkneifen. Ein merkwürdiger Kerl war das.
    Mary hatte die ganze Zeit bewusst nicht zu den beiden hinübergeschaut, jedoch ihre Ohren gespitzt. Als Mrs. Bamford sich umdrehte, konnte sie nicht umhin, ihren Sitznachbarn mit einem Blick zu streifen, den er auffing. »Ich hoffe, Ihrem Freund geht es nicht so schlecht, wie sie behauptet hat?«
    »Danke«, entgegnete Mary und errötete. »Ich befürchte, er hat schwere Verletzungen, obwohl meine Bekanntschaft mit ihm erst sehr kurz ist - mit Mr. Tracey, meine ich. Er sprach zwar mit mir, aber das hätte er mit jedem anderen auch getan.«
    »Aber waren Sie nicht vor Ort, als es passierte?«
    »Nein, erst später. Unsere Kutsche hielt nämlich wegen des Unfalls an, und ich stieg aus, um zu helfen.«
    Er nickte, als ein Teller Suppe vor ihn gesetzt wurde, und fuhr fort: »Sie haben einem Fremden geholfen - ganz alleine?«
    Mary war versucht, ihre Rolle auszuschmücken, aber sie sah sich verpflichtet einzugestehen, dass Ned, der Kondukteur, ebenfalls geholfen hatte. Insgeheim freute es sie aber, dass der Offizier kein besonderes Interesse an Ned verspürte. »Nun ja …« Plötzlich stockte sie, doch seine offenkundige Anerkennung ermutigte sie fortzufahren. »Ich frage mich«, sagte sie mit leiser Stimme, »ob ich - wäre es wohl sehr unziemlich, wenn ich Sie in dieser Angelegenheit um Rat fragte?«
    »Mich um Rat fragen? Aber ich kann doch nicht … ich meine, aber klar doch. Legen Sie einfach los.«
    Sie zog ihren Stuhl näher zu ihm heran. »Danke, Captain. Ist das richtig?«, wagte sie sich vor.
    »Ja, das stimmt, Miss. Und ich heiße Holland. Robert Holland.« Er streckte seine Hand aus. Da sie nicht genau

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