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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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in Storey’s Court empfand die Unterhaltung als schwierig, nicht weil es ihm an Zuhörerschaft mangelte, sondern weil ihm das Thema so gar nicht behagte. Er und Lady Armitage hatten den Verdacht, dass Robert Holland eine gewisse Zuneigung für ihre ältere Tochter, Susannah, hegte - welche nicht mehr ausschließlich brüderlicher Natur war. Solange Robert und Susannah nicht zusammenkamen, konnte Sir William das als ein mittelbares, fast abstraktes Problem abtun. Doch die Aussicht der unmittelbar bevorstehenden Rückkehr seiner Frau und Tochter veränderte die Lage von Grund auf. Es war nun seine Pflicht, »ein Wörtchen« mit Robert zu reden, eine vermutlich nicht sonderlich angenehme Erfahrung, die ihm da bevorstand. Denn natürlich konnten die beiden nicht heiraten. Robert war ein netter Kerl, aber einfach alles - Herkunft, Einkommen, Stellung, ja sogar sein Charakter - sprach gegen ihn. Nein, eine Heirat mit Susannah war unmöglich, ausgeschlossen. Aber wie sollte man ihm das beibringen, ohne ihn zu verletzen?
    Die Worte »verdammt unangenehm« drängten sich Sir William auf, wann immer er sich diese Unterhaltung vorstellte, und im Augenblick erging es ihm nicht anders. Er paffte nachdenklich seine Zigarre. Charlotte war nach oben ins Bett gegangen, nun schien also die perfekte Gelegenheit für ein Gespräch mit Robert gekommen zu sein: keine komplizierten oder geschraubten Erklärungen, nur eine Darlegung nüchterner Fakten. »Ähm, genieß deine Zigarre, mein Junge«, riet er, »denn ab morgen ist es zu Ende damit. Du kannst dann natürlich immer noch im Garten rauchen, aber das finde ich recht ungemütlich, vor allem bei diesem Wetter.«
    »Ja, Sir.«
    Sie rauchten eine Weile schweigend, während Sir William über väterliche Verantwortung und Feigheit sinnierte. Dann durchbrach Holland die Stille mit einer Bemerkung, die nahelegte, dass er die Gedanken seines Onkels erriet.
    »Ich freue mich darauf, Susannah wiederzusehen.«
    »Oh, ähm«, lautete Sir Williams leicht verblüffte Antwort.
    »Es ist fast ein Jahr her, seit ich sie zuletzt gesehen habe.«
    »Ja, stimmt«, pflichtete Sir William ihm bei, »du bist ja seit Weihnachten nicht mehr hier gewesen, nicht wahr?«
    »Stimmt, Sir.«
    Da regte sich väterliches Verantwortungsgefühl in Sir William, und er setzte sich entschlossen in seinem Sessel auf. Es verebbte jedoch fast ebenso rasch wieder, und so stocherte er ganz unnötig mit dem Schürhaken im Feuer herum und klagte: »Dieser verflixte Kamin zieht einfach nicht richtig. Ich muss Wainwright bitten, ihn sich einmal anzusehen.«
    »Ja, Sir. Ich dachte, Susannah und Lady Armitage wollten letztes Frühjahr für die Saison nach London reisen, aber ich habe nie gehört, dass sie tatsächlich gekommen sind.«
    »Nein«, erwiderte Sir William und wischte sich den Staub von den Händen, »Susannah war nicht wirklich begeistert davon, und schließlich hat sich Anne dagegen entschieden. Aber wo wir gerade von London sprechen, wir … haben das Haus am Cavendish Square an Admiral Verney vermietet. Ein sehr geselliger Mann, nur seine Leber macht ihm schwer zu schaffen. Kennst du ihn?«
    »Nein, Sir.«
    Wieder trat Schweigen ein, doch gerade als Holland wieder zu sprechen anheben wollte, unterbrach ihn Sir William mit gespielter Unbeschwertheit. »Du, ähm, hast noch gar nicht erzählt, was für ein Abenteuer du auf dem Weg hierher in Suffolk erlebt hast.«
    »Nein, Sir - das habe ich ganz vergessen.«
    Eigentlich hätte Holland nicht drei Anläufe unternehmen müssen, um zu begreifen, dass Susannah für ihn außer Reichweite lag, aber jetzt gab er den Kampf auf, zumindest für den Augenblick. Stattdessen erklärte er, was ihm passiert war.
    Sir William hörte zunächst mit halbherzigem, dann aufrichtigem Interesse zu. »Wie außergewöhnlich«, murmelte er, als er von denVorfällen im Keller vonWhite Ladies erfuhr. »Charlotte wird sicher alles über deine Flucht wissen wollen - und die war ja wirklich ein Bravourstück!« Er überlegte einen Augenblick, bevor er hinzufügte: »Vielleicht solltest du es ihr aber doch lieber nicht erzählen. Sie ist so schon einWildfang, auch ohne solche Schauergeschichten über Schmuggler und Geheimgänge. Doch um zu deiner Geschichte zurückzukehren. Du hast also Miss Finch unter Mrs. Tiptons Schutz zurückgelassen?«
    Holland nickte und fügte hinzu, er werde nach Lindham zurückkehren, sollte noch mehr passieren - auch wenn er das nicht für wahrscheinlich hielt -,

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