Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
Vom Netzwerk:
versteckt haben? Was konnte er geheim halten wollen? Er ging keinen vertraulichen Geschäften nach - zumindest nahm sie das an - und es war undenkbar, dass er … Liebesbriefe schrieb.
    Die drückende Stille der Bibliothek, durchbrochen nur vom Ticken der Uhr, schien sich auch auf sie zu legen, und Mary spürte auf einmal eine unbestimmte Angst, ohne zu wissen, warum. Sie wollte etwas tun: reden oder ein Fenster öffnen oder auch nur im Zimmer umhergehen. Natürlich konnte sie nichts dergleichen tun - was würde Mr. Adams denken? Was war nur mit einem Mal los mit ihr? Warum sollte sie sich von ein paar Blättern Papier beunruhigen lassen?
    Sie blickte zu dem in seine Inventur vertieften Mr. Adams hinüber.Vielleicht sollte sie ihm doch zeigen, was sie gefunden hatte - oder Mr. Todd. Aber was wollte sie ihm sagen? Dass sie ein paar geheimnisvolle Dokumente gefunden hatte? Sie bezweifelte, er könne sich eher einen Reim darauf machen als sie selbst. Konnten sie etwas mit dem Anwesen zu tun haben? Aber warum sollte jemand über solche Angelegenheiten verschlüsselt schreiben? Diese Papiere mussten von etwas handeln, das geheim bleiben sollte. Dann fiel ihr Mr. Tracey wieder ein - die Uhr, der Schlüssel, seine geflüsterten Warnungen bezüglich White Ladies. Und Tom Scott: Er hatte gewusst, dass da irgendetwas nicht stimmte …
    Die Schmuggler. Ein kalter Schauder durchfuhr sie, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen! Natürlich! Es lag doch auf der Hand, dass sie verschlüsselt miteinander kommunizieren mussten, um ihre kriminellen Umtriebe zu verbergen. Aber wie sollte ihr Onkel an die Botschaften der Schmuggler gekommen sein?
    Die Bibliothekstür ging auf, und Wallace, der junge Kanzleigehilfe, streckte den Kopf durch die Tür. »Falls es jemanden interessiert, wir haben gerade Tee gekocht. Meine Güte, hier drin ist es ja so still wie in einem Grab.«
    »Natürlich ist es still hier«, versetzte Adams, als er von seinem Platz oben auf der Leiter herunterstieg, »schließlich haben wir schwer gearbeitet - nicht wie manch anderer hier.« Dann klopfte er sich den Staub von den Händen.
    »Wenn Sie nur wüssten«, klagte Wallace. »Ich habe in den Stallungen geschuftet, während Sie hier das behagliche Feuer haben.« Er blickte zu Mary hinüber. »Oje, Korrespondenzablage«, sagte er schaudernd. »Sieht so aus, als hätten Sie heute Nachmittag den Kürzeren gezogen, Miss Finch. Mögen Sie vielleicht eine Tasse Tee?«
    Mary hatte rasch die Unterlagen versteckt; sie nickte Wallace freundlich zu und fühlte sich dabei wie eine elende Heuchlerin. »O ja, das wäre wunderbar.«
    Sie folgte den beiden Männern in den Salon, doch in ihrem Kopf drehte sich alles. Die zwei zankten sich weiter um ihr jeweiliges Arbeitspensum, aber sie hörte ihnen kaum zu und nahm ihre Tasse Tee von Hicks ganz gedankenverloren entgegen. Nur mit größter Anstrengung vermochte sie sich auf Mr. Todds Ausführungen zu konzentrieren, wie ausgezeichnet die Arbeiten voranschritten. Er war äußerst guter Dinge.
    »Ja, vortrefflich«, stimmte sie ihm zu, doch insgeheim fragte sie sich, ob es denkbar war, dass ihr Onkel auf irgendeine Weise in die Schmuggelei involviert sein konnte. Sie erinnerte sich daran, was Mr. Treadgill über die Schmuggler gesagt hatte - über ihre Gewaltbereitschaft und Ruchlosigkeit. War so etwas denkbar? Immerhin hatten sich die Schmuggler in White Ladies sehr gut ausgekannt und sogar von dem Keller gewusst. Bei der bloßen Erinnerung an das rohe Gebaren dieser Halunken erschauerte sie. Und sie hatten sie an jenem Schreibtisch dort in ihre Gewalt gebracht! Womöglich hatten sie ja von den verschlüsselten Dokumenten gewusst! Vielleicht waren sie nach White Ladies gekommen, um sie in die Hände zu bekommen! Und hatte nicht Mr. Tracey selbst behauptet …?
    »Verzeihung? Tut mir leid«, sagte sie laut, als Mr. Todds Stimme ihre Gedankengänge unterbrach. »O nein, die Arbeit macht mir gar nichts aus.« Sie setzte sich in ihrem Stuhl zurück, als wolle sie es sich bequemer machen. »Sie ist recht interessant.« Hatte Mr. Tracey von den Papieren gewusst? Möglicherweise sogar danach gesucht? Aber warum nur? Und warum hatte ihr Onkel so etwas auf seinem Schreibtisch liegen lassen? Zwar unter Büchern, aber nicht unter Verschluss. Hatte er sie gerade erst erhalten? Oder war er soeben im Begriff gewesen, sie weiterzureichen?
    Die verschlüsselten Dokumente, warum ihr Onkel sie bei sich gehabt hatte und was darin

Weitere Kostenlose Bücher