Miss Monster
bestimmt anders ausgesehen.
Jetzt waren sie weg.
Sie hatte am Fenster gestanden und im letzten Licht des Tages gesehen, wie die beiden in Richtung Moor gelaufen waren. Sie wollten Wiebke fangen!
Brenda Jackson wußte nicht, was sie davon halten sollte. Einerseits wünsche sie es sich, andererseits traute sie ihrer Freundin diese grauenvollen Taten nicht zu. Irgend etwas kam da zusammen, das sie nicht begreifen konnte.
Sie stand auf.
Es war einfach für sie zu warm im Zimmer. Außerdem konnte es sein, daß sie auch zu aufgeregt war und diese Wärme eben von innen her hochströmte.
Als sie ging, hatte sie den Eindruck, über den Boden hinwegzuschweben. Gehörte das auch zu diesen Gefühlen?
Ihr Ziel war das Fenster!
Ob sie dorthin gehen wollte, wußte sie selbst nicht. Sie schritt der Scheibe einfach entgegen, als wäre genau sie etwas Besonderes. Als würde hinter ihr eine Welt liegen, die ihr auf alle Fragen Antworten gab. Dabei sah sie nur das Moor.
Breit, flach, auch düster, obwohl sich am Himmel noch einige helle Flecken zeigten, die aussahen wie die Teile eines Puzzles, die erst langsam zusammengeschoben wurden.
Für viele war es sicherlich ein wildes, ein romantisches Bild, nicht für Brenda.
Die Szenerie flößte ihr noch mehr Angst ein. Gleichzeitig spürte sie so etwas wie eine Lockung, die von dem Bild ausging. Eine Botschaft, die ausschließlich sie betraf.
So etwas hatte sie noch nie erlebt. Es war völlig neu und auch fremd für sie, und sie merkte auch, wie sich der Schweiß auf ihren Handflächen sammelte. Sie schluckte.
Ihre Arme bewegten sich in die Höhe, obwohl sie es gar nicht wollte. Jemand schien ihr den Befehl gegeben zu haben. Einen Moment später umklammerte die Hand den Fenstergriff.
Sie spürte das kühle Metall auf ihrer Haut. Der Griff gehörte noch zu den alten, die gedreht und nicht gekippt werden mußten. Wie immer mußte sie eine gewisse Kraft aufwenden, wie immer klemmte auch der untere Rahmen beim Aufziehen.
Dann schaute sie hinaus.
Sie freute sich über die kühlere Luft, auch wenn sie nach Fäulnis stank. Nicht hinter allen Fenstern brannte Licht. Auch Brenda hatte darauf verzichtet. Aber über ihr waren einige Scheiben erhellt. Aus ihnen flutete das warme, hellgelbe Licht und verteilte sich an der alten Hauswand, wo es die Blätter der hochwachsenen Pflanzen fast wertvoll aussehen ließ. Warum hatte die das Fenster überhaupt geöffnet? Darüber dachte sie noch immer nach. Eigentlich hatte kein Grund vorgelegen. Erst jetzt dachte sie richtig darüber nach und erschrak sogar. War sie nicht mehr Herrin ihrer Sinne?
Und dann hörte sie etwas.
Zuerst dachte sie an eine Täuschung. Nein, diese Stimme bildete sie sich ein, sie war das Produkt ihrer überreizten Nerven, aber sie war da und blieb auch.
»Brenda…«
Die Schülerin zuckte zusammen. Ihre Augen weiteten sich so weit, daß sie starr wurden. »Brenda…«
Jetzt wieder. Und nun hatte sie die Stimme sehr deutlich erkannt. Sie wußte, wer da nach ihr gerufen hatte. Wiebke!
Das Zittern überkam sie ohne Vorwarnung. Sie hatte die Hände auf den unteren Fensterrand gelegt und die Finger fast in das Holz hineingeklemmt. Eigentlich hätte sie jetzt weglaufen müssen, weil ihr danach auch zumute war, aber sie blieb stehen und kam sich vor, als hätte sie nicht mehr die Kontrolle über sich selbst. Und wieder der Ruf. Ein böses Flüstern, mehr nicht, aber immerhin laut genug. »Brenda… Schätzchen…«
»Wiebke…«
»Ja, ich bin es.«
Brenda Jackson verkrampfte sich. Jetzt wußte sie mit hundertprozentiger Sicherheit, daß sie sich die Stimme nicht eingebildet hatte. Wiebke war da, sie war zurückgekehrt, aber wo, zum Henker, hielt sie sich auf? Wo steckte sie?
Mit schnellen Zungenbewegungen feuchtete Brenda Jackson ihre Lippen an. Das Herz schlug schneller als gewöhnlich, der Schweiß schmeckte nach Salz.
»Bist du da?«
»Ja, meine Kleine…«
»Und wo?«
»Bleib dort stehen. Ich werde zu dir kommen. Ich habe dich ja gelockt. Einen Moment noch.«
Brenda war soweit, daß sie sich auf die Stimme voll und ganz hatte konzentrieren können. Wiebke Crotano mußte sich irgendwo über ihr befinden.
In einem Raum mit offenem Fenster? Das wäre die normalste Möglichkeit gewesen, doch es stimmte nicht. Als Brenda sich drehte und den Kopf hob, da sah sie etwas ganz anderes.
Wiebke schaute nicht aus einem Fenster hervor, sie schwebte schräg über ihr. Sie stand auch nicht auf einer Fensterbank, sondern
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