Miss Pettigrews grosser Tag
nichts schmeckendem Hackfleisch und zähem Roastbeef ernährt hatte, konnte angesichts der Leckereien gleichgültig bleiben, an denen Miss LaFosse sich gütlich tat.
Doch obwohl das Abendessen so köstlich war, dass man guten Gewissens alles andere darüber vergessen konnte, ließ sich Miss Pettigrew nicht von ihrem eigentlichen Ziel ablenken. Auf irgendeine Art und Weise musste Miss LaFosse dazu gebracht werden, Nick aufzugeben und Michael zu heiraten. Durch Suppe, Fisch, Braten und Süßspeise zog sich der Kampf, mit Miss Pettigrew in der Offensive und Miss LaFosse auf dem Rückzug. Miss LaFosse nahm Zuflucht zu einer Kriegslist. Wenn Miss Pettigrews strenge Logik sie zu sehr in die Enge trieb, wechselte sie geschickt das Thema und köderte Miss Pettigrew raffiniert mit einer höchst farbig ausgemalten Anekdote aus ihrer wechselvollen Karriere; diese intimen Enthüllungen darüber, »Wie die andere Hälfte lebt«, fesselten Miss Pettigrew derart, dass sie vorübergehend von ihrer Attacke abließ. Allerdings nie lang. Sobald die Geschichte zu Ende war, richtete Miss Pettigrew ihre Geschütze unverzüglich wieder auf ihr eigentliches Ziel.
Von beiden unbemerkt verflog die Zeit, und eben als Miss Pettigrew triumphierend festzustellen glaubte, dass Miss LaFosses Widerstand erlahmte, sah diese zur Uhr und sprang mit einem Schreckensruf auf.
»Ach herrje! Sehen Sie nur, wie spät es ist. Jetzt aber schnell. Ich muss mich ja noch komplett umziehen. Es ist schon nach elf, und ich habe versprochen, um zwölf da zu sein.«
Sie hielt energisch auf das Schlafzimmer zu, doch Miss Pettigrew wollte sie nicht entwischen lassen, solange sie noch unter vier Augen weiterdebattieren konnten.
»Darf ich zuschauen?«, fragte sie wild entschlossen.
Miss LaFosse gab den Fluchtversuch auf.
»Sicher doch«, sagte sie resigniert. »Ich bin schließlich eine Figur des öffentlichen Lebens.«
Zufrieden machte Miss Pettigrew es sich auf einem Stuhl neben Miss LaFosses Schminktisch bequem. Miss LaFosses Hektik legte sich. Das Ankleideritual wollte gemächlich vollzogen werden, und sie gehörte nicht zu denjenigen, die sich unnötig Sorgen um Pünktlichkeit machten.
Sie zog ihr Kleid aus, verschwand im Bad und kehrte zurück. Sie suchte ein Abendkleid heraus und lächelte Miss Pettigrew fröhlich zu. Ihre gute Laune war weitgehend wiederhergestellt. Sie setzte sich vor den Spiegel.
»Ich finde ja oft«, sagte sie vergnügt, »dass das Fertigmachen das Schönste an dem Ganzen ist.«
Diesmal ließ Miss Pettigrew sich nicht von verlockenden Abschweifungen beirren.
»Kann ich Sie denn mit gar nichts überzeugen?«, fragte sie flehentlich.
»Ach, Guinevere«, sagte Miss LaFosse, »wenn Sie so reden, fühle ich mich wie ein undankbares kleines Biest.«
»Das ist mir gleich«, sagte Miss Pettigrew streng und todesmutig. »Ich muss sagen, was ich denke. Tief in Ihrem Herzen wissen Sie genau, dass Nick Ihnen nicht treu bleiben wird. Irgendwann holt das Alter Sie ein. Dann wird er keinen Blick mehr für Sie übrig haben. Er wird noch mit fünfzig immer nur den jungen Dingern schöne Augen machen.«
Miss LaFosse seufzte.
»Meine Güte! Sie stellen es aber wirklich schrecklich deprimierend hin.«
»Warum nicht ins kalte Wasser springen und Michael heiraten?«, redete Miss Pettigrew ihr zu. »Das Wagnis eingehen? Wissen Sie was?« In ihrer Verzweiflung schlug sie auch noch die letzten Reste von Tugend und Anstand in den Wind: »Wenn es nicht klappt, können Sie ja immer
noch zu Nick zurück. Es ist schließlich nicht so, als wollten Sie Nick heiraten.«
»Oh Guinevere!« Miss LaFosse lächelte breit.
»Ich weiß.« Miss Pettigrew errötete schuldbewusst.
»Sie durchtriebene kleine Gaunerin«, sagte Miss LaFosse vorwurfsvoll. »Sie wissen haargenau, dass ich mich das nie trauen würde. Er würde mich windelweich prügeln.«
»Meine Liebe!«, protestierte Miss Pettigrew. »Meinen Sie nicht, dass Sie … dass Sie ein wenig übertreiben?«
»Ich würde nicht gern darauf wetten«, sagte Miss LaFosse.
»Aber es spricht doch so viel dafür«, beharrte Miss Pettigrew. »Versuchen Sie einmal, Nick ganz aus Ihren Gedanken zu streichen. Würden Sie Michael dann heiraten?«
»Ah!«, sagte Miss LaFosse düster. »Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Aber warum denn nicht?«, fragte Miss Pettigrew. »Er sieht gut aus. Er hat eine Menge Geld – so scheint es jedenfalls. Er liebt Sie. Was ist verkehrt?«
»Er ist nicht ehrbar«, sagte Miss LaFosse
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