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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Winifred Watson
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aufrichtig zu und mühte sich, das Zittern zu bekämpfen, das sie bei der Erinnerung an Nicks dunkle, leidenschaftliche Blicke befiel.
    »Kein passender Umgang für eine Dame.«
    »Ich bin keine Dame«, fuhr Miss LaFosse empört dazwischen.
    »Nein«, pflichtete Michael bei, »das bist du nicht. Der Herr bewahre mich vor Damen. Das war das falsche Wort. Entschuldige.«
    »Ich nehme die Entschuldigung an«, sagte Miss LaFosse würdevoll.
    »Kein passender Umgang für eine weiße Frau«, unternahm Michael einen zweiten, respektloseren Anlauf.
    »Sollte ferngehalten werden«, stimmte Miss Pettigrew zu.
    »Woran erinnert er Sie?«
    »An Eiscreme«, sagte Miss Pettigrew.
    »Was?«, sagte Michael. Sein Gesicht erhellte sich.
    »Gute Frau«, rief er entzückt, »Ihr Scharfblick ist wahrhaft bewunderungswürdig. Ich habe ihn immer nur als jemanden gesehen, der schnulzige Lieder für schnulzige señoritas in schnulzigen Filmen singt.«
    »Aber wie hinreißend er dabei wäre!«, dachte Miss Pettigrew wehmütig.
    »Eiscreme«, krähte Michael. »Hervorragend. Caldarellis Eiscreme. Passt wie die Faust aufs Auge.«
    Er wirbelte zu Miss LaFosse herum.
    »Ha!«, sagte er triumphierend. »Caldarellis Eiscreme. Sie zieht den Sohn eines Eisverkäufers mir vor.«

    »Was erlaubst du dir?«, rief Miss LaFosse verärgert. »Du weißt genau, dass Nicks Vater nie in seinem Leben Eisverkäufer war. Dafür hat dein Vater Fisch verkauft.«
    »Fisch!«
    Michael sprang erneut auf und durchmaß das Zimmer. Ein gewaltiger Redeschwall brach sich Bahn. Miss Pettigrew behielt nervös Stühle und Ziergegenstände im Blick.
    »Du vergleichst Fisch... mit Eiscreme«, wetterte Michael. »Fisch enthält Phosphor. Fisch ist Futter fürs Gehirn. Fisch ist nahrhaft. Fisch kräftigt den Leib. Fisch enthält Vitamine. Fisch enthält Lebertran. Fisch macht kleine Wonneproppen groß und stark. Männer lassen ihr Leben für Fisch. Frauen weinen um sie. Die ganze Hafenbar klagt. Du vergleichst Fisch … mit Eiscreme. Und siehst mir dabei in die Augen.«
    »Um Himmels willen!« Miss LaFosse war einem Erstickungsanfall nahe. »Michael. Benimm dich.«
    Er hielt inne und grinste.
    »Sei still. Mir fällt nichts mehr ein. Soviel ich weiß, macht man Rizinusöl nicht aus Fisch, und dann werden die Anspielungen am Ende zu derb.«
    Miss Pettigrew errötete und sah hastig weg. Miss LaFosses Blick fiel auf die Uhr.
    Michael begriff den Wink.
    »Für den Abend schon verplant?«
    »Ich singe im Blauen Pfau.«
    »Ich komme.«
    »Ich habe dich nicht gefragt.«
    »Wir treffen uns da. Ich habe eine Verabredung mit einem anderen weiblichen Wesen – reiner Schaukampf -, aber die sage ich ab. Nicht sehr artig und ganz und gar nicht meine Art, aber akute Notfälle erfordern drastische Maßnahmen. Wenn mir nur eine Woche bleibt, um Eindruck zu machen, fange ich besser sofort damit an.«

    Er raffte schwungvoll Hut, Handschuhe und Schal zusammen, stürmte zu Miss LaFosse und küsste sie. Miss Pettigrew erfreute sich an dem Anblick. Seine Miene wurde ernst.
    »Keine Dummheiten«, sagte er ruhig.
    Miss LaFosse hielt den Atem an.
    »Ich weiß.«
    Er ging zu Miss Pettigrew und gab ihr einen schallenden Kuss. Miss Pettigrew sah ihn nicht hinausgehen. Benommen und atemlos vor Wonne lehnte sie sich zurück. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.

ELFTES KAPITEL
    20:28-0:16
     
     
    E in Weilchen herrschte Stille. Miss LaFosse stand kleinlaut am Kamin. Dann schüttelte sie sich wie ein junger Hund. Miss Pettigrew tauchte aus ihrer Versunkenheit auf.
    »Hm«, sagte Miss LaFosse, die dank ihres sprunghaften Wesens nie lange bedrückt blieb, »ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber Aufregungen aller Art machen mir immer Appetit. Wie wär’s nun doch mit einem Happen zu Abend? Normalerweise esse ich früher, aber wir haben immer noch haufenweise Zeit. Ich lasse uns etwas heraufschicken. Wir müssen ja nicht alle Gänge nehmen.«
    Sie griff nach dem Telefon und hörte nicht auf Miss Pettigrews gezierte Einwände, sie könne nicht einen Bissen herunterbringen. In Wahrheit war es Miss Pettigrew um die Kosten zu tun. Sie hatte doch schon so viel von ihrer neuen Freundin angenommen.
    »Unfug«, erklärte Miss LaFosse. »Der Appetit kommt bekanntlich beim Essen.«
    Da hatte sie recht. Als das Abendessen angeliefert wurde, stellte sich Miss Pettigrews Appetit auf wundersame Weise wieder ein. Niemand, der sich wie sie ein Leben lang von einer unsäglich eintönigen Kost aus faden Eintöpfen, nach

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