Miss Pettigrews grosser Tag
üblichen schwarzweißen Ausgehuniformen. Stimmen und Gelächter, Flitterglanz und Funkeln überall. Miss Pettigrews Lebensgeister erwachten wieder. Ihre Augen begannen zu glänzen. Das sah schon eher nach einem Nachtclub aus. So sollte es sein. So sah man es auf der Leinwand. Zu ihrer Linken öffnete sich eine Tür, aus dem dahinter verborgenen Raum drang Musik. Ihre Nase begann zu zucken wie die eines Jagdhundes auf der Fährte.
»Hier entlang«, sagte Miss LaFosse.
»Gehen Sie vor«, sagte Miss Pettigrew.
Miss LaFosse machte sich an den Aufstieg. Miss Pettigrew folgte. Die Örtlichkeiten der ersten Etage standen denen im Parterre in nichts nach. Kein Unten-hui-oben-pfui. Miss Pettigrew nickte anerkennend. So gehörte es sich.
Vorbei an diversen züchtig geschlossenen Türen schritten sie zur Damengarderobe. Schwere Teppiche, gedämpftes Licht, blank polierte Spiegel und reichlich Personal auf Abruf. Sie legten ab, puderten sich die Nase, zupften ihre Kleider zurecht und begaben sich wieder nach unten.
In Windeseile riss ein Bediensteter die alles entscheidende Tür auf. Sie traten über die Schwelle. Miss Pettigrew zauderte und blieb stocksteif stehen. Vor ihr erstreckte sich eine ringsum von Tischen gesäumte, im Übrigen freie glänzende Fläche. Das Tanzorchester – ganz hinten am anderen Ende – machte keinen Mucks. Die an den Tischen Sitzenden hielten Maulaffen feil. Unter Miss Pettigrews verzweifeltem Blick wurde der Raum größer und größer. Sie sollte, von allen mit Argusaugen betrachtet, diese nicht enden wollenden Parkettdielen abschreiten? Ihr rutschte das Herz in die Hose.
»Denken Sie daran«, wisperte Miss LaFosse eindringlich, »Bauch rein, Schultern zurück. Da drin gibt’s auch Spiegel. Ich suche Ihnen einen Platz, wo Sie immer mal wieder in einen gucken und neuen Mut schöpfen können. Sie sehen famos aus.«
Sie setzte sich in Bewegung. Miss Pettigrew holte einmal tief Luft und eilte hinterher. Miss LaFosse lächelte an fast jedem Tisch jemandem zu. An fast jedem Tisch wurde sie von jemandem begrüßt. So durchquerten sie den Raum, bis Miss LaFosse dicht beim Podium für die Tanzkapelle endlich Halt machte.
Miss Pettigrew hatte weiche Knie, ihr Herz schlug zum Zerspringen. Ihr stand eine weitere Tortur bevor. Am Tisch war es gesteckt voll. Dutzende und Aberdutzende verschwommener Kleckse, die wohl Gesichter darstellen sollten. Sie pappte sich das falsche Lächeln ins Gesicht, mit dem man für gewöhnlich zu kaschieren versucht, dass man als Wildfremder soeben in eine Freundesclique geplatzt ist. Was um Himmels willen hatte sie hierher geführt, wo sie nichts, aber auch gar nichts zu suchen hatte?
Wie sich zeigte, waren ihre Ängste unbegründet, und es bestand kein Anlass zu Befürchtungen. Nachdem sie endlich wieder scharf sehen konnte, erkannte sie Miss Dubarry (freudestrahlend), Tony (breit grinsend), Michael (mit einem Satz auf den Beinen). Sicher waren noch andere am Tisch versammelt. Doch was spielte das schon für eine Rolle? Sie war unter Freunden. Miss LaFosse. Miss Dubarry. Tony. Michael. Ihrethalben mochten noch tausend weitere Menschen um den Tisch sitzen. Miss Pettigrew ließ ein echtes, atemloses, freudiges Lächeln sehen.
»Wo zum Teufel habt ihr so lange gesteckt?«, fragte Michael.
»Ihr seid spät dran«, sagte Miss Dubarry vorwurfsvoll.
»Wir hatten euch schon aufgegeben«, sagte Tony.
»Herr Ober«, rief Michael. »Mehr Stühle.«
Endlich hatten sie alle Platz gefunden. Miss LaFosse deichselte es unauffällig so, dass Miss Pettigrew unweit eines Spiegels zu sitzen kam. Letztere versicherte sich mit einem kurzen Blick, dass alles in Ordnung war – und befand diese Maßnahme im Folgenden immer weniger für nötig. Man überhäufte sie mit Freundlichkeiten. Tony saß zu ihrer Linken, Michael zu ihrer Rechten. Miss Dubarry hatte ihr hastig zugeraunt:
»Ich bin ja so glücklich. Und daran sind nur Sie schuld.
Sie denken doch an Ihr Versprechen? Sie sind mir in meinem Schönheitssalon jederzeit willkommen.«
Miss Pettigrew begriff nicht ganz, wofür sie solch überschwänglichen Dank verdient hatte, aber er hob ihre Laune nur umso mehr. Ihr Gesicht begann wieder zu strahlen.
Seite an Seite mit Tony zu sitzen, versetzte sie jedoch in arge Verlegenheit. Was zum Kuckuck hatte sie ihm nachmittags bloß alles an den Kopf geworfen? Es wollte ihr partout nicht mehr einfallen. Sie wusste nur noch einigermaßen genau, dass sie sich, ganz gegen ihre sonstigen
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