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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Winifred Watson
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peinliche Unbehagen ob deren allzu großzügig bemessener Leibesmitte.
    »Perfekt«, sagte Joe. »Die heutige Generation kann keinen ordentlichen Walzer mehr tanzen. Das hätte ich mir um nichts in der Welt entgehen lassen wollen.«

    Mit glühenden Wangen und glänzenden Augen schwebte Miss Pettigrew zu ihrem Platz zurück.
    »Sie sind mir ja eine nette kleine Heuchlerin«, beschwerte sich Miss LaFosse. »Zu behaupten, Sie könnten nicht tanzen. Sie wollten nur mit Joe allein am Tisch sitzen bleiben.«
    »Oh bitte«, sagte Miss Pettigrew und lief schamrot an. »Ich versichere Ihnen, langsamer Walzer ist der einzige Tanz, den ich kenne.«
    Ein Weilchen behandelte sie Joe sehr von oben herab – für den Fall, dass er aus dem Tanz die falschen Schlüsse zog. Das Essen kam. Zu ihrer Überraschung stellte Miss Pettigrew fest, dass auch sie schon wieder ordentlich Hunger hatte. Sie griff beherzt zu.
    »Noch ein Eis?«, bot Michael an.
    »Gern«, sagte Miss Pettigrew.
    Er zwinkerte ihr zu.
    »Ist angeblich sehr gut hier. Die Spezialität des Besitzers, soviel ich weiß.«
    Miss Pettigrew brach trotz des strafenden Blicks, den Miss LaFosse Michael zuwarf, in Gekicher aus. Doch das Eis war tatsächlich eine fantastische Kreation. Miss Pettigrew hatte sich nie für gierig gehalten, aber das hier war auch kein kalter Vanillepudding, sondern Schlagsahne und Früchte und Nüsse und Eiscreme und ein himmlischer Sirup, alles kunstvoll geschichtet und angerichtet. Bedächtig ließ sie sich jeden göttlichen Löffel auf der Zunge zergehen. Die Kapelle begann mit einem langsamen, trägen Foxtrott. Das Licht wurde gedämpft, bis nur noch ein matter Schimmer den Raum erfüllte. Miss Pettigrew blickte traumverloren auf und sah Nick auf ihren Tisch zukommen. Das Eis verlor mit einem Schlag seinen Wohlgeschmack.
    Nick schlängelte sich, die Augen auf Miss LaFosse geheftet,
langsam zwischen den Tischen hindurch. Seine Miene war ausdruckslos, sein Blick leer, und dennoch fröstelte es Miss Pettigrew mit einem Mal. Sie hatte das Gefühl, dass die Beherrschung in seinen Augen nur ein dünner Schutzschild war. Jeden Augenblick konnte das dahinter lodernde Feuer durchbrechen.
    Miss Pettigrew blickte verzweifelt in die Runde. Niemand außer ihr hatte Nick bisher entdeckt. Das gedämpfte Licht, die schmachtende Musik, das opulente Essen, all das verführte dazu, sich behaglich zurückzulehnen und romantischen Empfindungen nachzuhängen. Alle Paare waren ein wenig näher zusammengerückt. Michael saß am nächsten bei seiner Angebeteten. Er hatte den Arm um sie gelegt und seinen braunen Schopf über ihren hellen gebeugt. Er sprach eindringlich mit ihr. Miss LaFosse wirkte ernst, fast schon verschüchtert.
    Nick stand am Tisch.
    »Delysia«, sagte er. »Das ist unser Tanz, denke ich.«
    Am Tisch wurde es schlagartig still. Die Kapelle spielte weiter. Tanzende Paare bewegten sich über das Parkett. Das Licht blieb diskret gedämpft. Niemand nahm von den Tischen im Eck Notiz.
    Miss LaFosse durchfuhr ein Ruck, ihr Blick fiel auf Nick. In der matten Beleuchtung wirkte ihr Gesicht gespenstisch weiß.
    »Oh! Nick!«, wisperte sie benommen.
    Michael straffte sich. Seine Halsmuskeln traten hervor. Sein Griff um Miss LaFosses Schulter lockerte sich nur unmerklich.
    »Tut mir leid, alter Knabe«, sagte er, »den Tanz lassen Delysia und ich ausfallen.«
    »Delysia hat vergessen«, sagte Nick ruhig, »dass ich vorrangige Ansprüche habe.«

    Miss Pettigrew schwirrte der Kopf. Verzagt sah sie sich um. Alle anderen um den Tisch versammelten Paare sahen betont unbeteiligt irgendwo anders hin. Dies ging nur Nick, Delysia und Michael etwas an. Sie hatten damit nichts zu schaffen, und mit Nick war nicht zu spaßen. Von dieser Fraktion war keine Hilfe zu erwarten. Aber es musste irgendetwas geschehen. Miss LaFosse drohte einen großen Fehler zu machen. Die Schlange fixierte das Kaninchen, und das Kaninchen war hilflos. Zentimeter um Zentimeter löste sich Miss LaFosse aus Michaels Klammergriff. Miss Pettigrew war kurz davor, in Tränen auszubrechen.
    Da stand Nick, schön wie die Sünde, sengender Blick, düstere, bezwingende Miene, jeder Zoll ein wilder, eifersüchtiger, zorniger Mann, und wollte in seinem leidenschaftlichen Begehren Miss LaFosse kurzzeitig ins Paradies entführen.
    Diese saß bereits bolzengerade auf ihrem Stuhl und starrte Nick mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Kommst du, Delysia?«, fragte Nick.
    »Ich …« Miss LaFosse stand auf.
    Ein

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