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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tausch
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wandhoher, gläserner Schrein, darin zur Schau gestellte Cognac-Flaschen, an denen jeweils ein Namensschild hing. Ich kannte das schon aus anderen asiatischen Schicki-Bars. Bei dieser kuriosen Inszenierung handelt es sich um eine Art alkoholischen Schwanzvergleich: Die Gäste kaufen sich flaschenweise möglichst edlen Stoff zu möglichst horrenden Preisen. Wenn der Besitzer das Etablissement verlässt, nimmt der Club die Flaschen in Verwahrung und stellt sie mit Hinweis auf den Eigentümer im Eingangsbereich aus, so dass jeder Neuankömmling einen Blick darauf werfen muss und gleich über die Hackordnung des Rudels informiert ist. Die teuersten
Flaschen stehen auf exponierten Plätzen und werden extra mit kleinen Lampen illuminiert.
    Mein Blick glitt geflissentlich über die Darbietung. Ich konnte die Namensschilder natürlich nicht lesen, aber mein Interesse an diesen Dingen passte auch locker in ein Sandkorn. Für mich war klar, dass der Typ mit dem teuersten Schaustück sowieso der erbärmlichste in dem ganzen Laden war. Wobei mir schwante, dass ich gerade auf dem Weg war, ihn zu treffen.
    Während wir den Clubraum durchquerten, schluckte ein dicker Teppich die Geräusche unserer Schritte. Der Laden war gut gefüllt, doch die Atmosphäre war merkwürdig ruhig und gedämpft. Am hinteren Ende ging es in einen Flur, durch dessen angelehnte Türen ich in kleine Separées spähen konnte. Meine Begleiter bedeuteten mir, die Treppe hinaufzusteigen. Am oberen Absatz stand breitbeinig ein Klon von ihnen (gleicher schlechter Anzug, gleiche Sonnenbrille, gleiche Gel-Frisur), der uns mit einem knappen Nicken passieren ließ. Nach wenigen Schritten waren wir am hintersten Separée des Stockwerks angelangt. Der Papagei öffnete die Tür.
     
    Ebi-san sah ganz anders aus, als ich ihn mir vorgestellt hatte, trotzdem habe ich ihn in der Gruppe sofort erkannt. Am Kopf des halb in den Boden eingelassenen Tischs saß kein vom Alkohol aufgeschwemmter, krakeelender Wüstling, sondern ein Mann, der den Eindruck machte, als wäre er vor fünf Minuten aus einem druckfrischen Gucci-Katalog gehüpft. Im Gegensatz zu seinem Fußvolk trug er einen maßgeschneiderten schwarzen Anzug, dazu ein schwarzes Hemd und eine dunkelrote Krawatte. Er war zirka fünf Jahre älter als ich, aber viel athletischer. Sein Fitnesstrainer musste sich um maximal drei
Gramm überflüssiges Fett kümmern. Haarschnitt? Perfekt. Maniküre? Einwandfrei. Das Überraschendste war allerdings sein Gesichtsausdruck, in dem sich hellwache Intelligenz mit einem Schuss Melancholie mischte. Ich glaube, unter anderen Umständen wäre er mir sogar sympathisch gewesen.
    Doch dieser Eindruck währte nicht lange.
    Ebis Häscher deuteten mit einem Grunzen auf meine Schuhe, anschließend auf einen Haufen vergilbter Plastiklatschen, die vor der Türe bereit lagen. Sie selber knieten ebenfalls nieder, lösten ihre Schnürsenkel und griffen jeder ein Paar von den Schlappen. Dann schubsten sie mich in den Raum.
    Ebi-san sah auf und klatschte zwei Mal laut in die Hände. Die Gespräche am Tisch verstummten auf der Stelle. Kein Stäbchen und kein Glas wurde mehr zum Mund geführt, jeder blickte nur erwartungsvoll auf ihn.
    Als er anfing zu sprechen, löste sich jeder Eindruck von Sanftmut in Luft auf. Seine Stimme durchschnitt den Raum wie ein Samuraischwert. Es brauchte nicht viele Worte, bis sich die anderen Männer unter ständigen »Hai! Hai!«-Bekundungen erhoben, und - noch im Rückzug eine knappe Verbeugung an die nächste reihend - eilig den Raum verließen.
    Dann waren wir alleine.
    Ohne einen Ton von sich zu geben, musterte Ebi-san mich aufmerksam für einige Sekunden. Ich versuchte, dem Blick stand zu halten, fühlte mich aber nicht berufen, ein Gespräch in Gang zu bringen. Dann kam er schneller zum Punkt, als ich erwartet hatte. Dass seine Worte dabei in perfektem britischen Englisch auf mein Ohr prallten, wurde mir erst im Nachhinein klar, denn ihr Inhalt nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Beschlag:

    »Du siehst: Ich habe Gäste. Ich will diesen gegenüber auf gar keinen Fall unhöflich sein, darum will ich es kurz machen. Wenn du Lien auch nur noch einmal siehst, schneide ich dir deine Eier ab und hänge sie zum Faulen in die Sonne. Und das meine ich wörtlich. Hast du verstanden?«
    Ich suchte nach einer schlagfertigen Antwort. Vergebens.
    »Hast du verstanden?« Ebi wirkte nicht wie ein Mann, der es gewohnt ist, zwei Mal fragen zu müssen.
    In diesem Augenblick kündigte

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