Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman
fächerte mit einer Zeitung die Glut eines topfförmigen Grills an, auf dem ein Tintenfisch garte. Sie schaute kurz auf, nahm aber kaum weitere Notiz von mir, als ich nur Zentimeter neben ihrer Feuerstelle vorbeidonnerte. Ohne Plan stürzte ich mich in die Gassen, fuhr links, fuhr rechts, immer tiefer hinein in das Labyrinth, bis der Weg in eine unbeleuchtete Sackgasse führte, die vor einem Haus endete.
Ich stieg ab und bockte meinen Roller auf. Zigarette, Feuer. Warten und lauschen. In der Entfernung war wie ein gleichmäßiges Brummen der Lärm der Stadt zu hören, doch kein Motorengeräusch näherte sich. Der Ort war so still und
entlegen, wie es in einem Moloch wie Saigon nur möglich ist. Lediglich aus dem Haus gegenüber beobachteten mich zwei junge Mädchen, die anfingen zu kichern, als ich in ihre Richtung blickte.
Falls Ebi-sans Privatpolizei mir nachstellte, hatte ich sie erfolgreich abgeschüttelt. Also machte ich mich auf, einen Ausweg aus dem Irrgarten zu finden.
Der Zugang zum Café führte durch einen Laubengang, der sich in einen begrünten Innenhof erstreckte. Schummriges Licht, ein träge plätschernder Springbrunnen, in dessen Mitte sich ein zu Marmor erstarrtes Pärchen innig umarmte. Auf einer kleinen Bühne zwei Männer, die mit Gitarre und Violine bewaffnet Popschnulzen zum Besten gaben. Liens Wahl des Treffpunkts machte mir Hoffnung, denn der Laden kam dem vietnamesischen Idealbild von Romantik verdächtig nahe. Also ließ ich erwartungsvoll die Augen schweifen, bis ich sie erspähte.
Aber halt!
Da war doch was …
Mein Blick wanderte zwei, drei Tische zurück.
Dort saßen Ebis schlecht gekleidete Lakaien - und die machten nicht den Eindruck, als wären sie von meinem Erscheinen überrascht. Rassel begrüßte mich mit herablassendem Lächeln und einer kaum wahrnehmbaren Bewegung seiner Hand. Der Papagei grinste nur dümmlich. Dann prosteten sich die beiden zu und hoben ihre Gläser kurz in meine Richtung. Erbärmliche Selbstgefälligkeit! Andererseits ging diese Runde klar an sie. Und das, indem sie einfach Lien gefolgt waren, während ich panisch imaginäre Verfolger abzuschütteln versuchte.
Ich strafte die beiden mit Ignoranz, selbst als ich mich auf dem Weg zu Lien an ihrem Tisch vorbeidrücken musste und Rassel mich mit mildem Kopfschütteln bedachte. Meiner Meinung nach sollte man seine Probleme nacheinander angehen, und mein wichtigstes saß nun vor mir.
Lien hatte sich dezent herausgeputzt, und es war sicher kein Zufall, dass sie das braune Kleid trug, um dessen Wirkung auf mich sie genau wusste.
Gute Vorzeichen. Trotzdem ein verkrampfter Start. Mein Begrüßungskuss traf halb Lippen, halb Wange, und genau so unentschieden plätscherten die ersten Minuten unserer Unterhaltung dahin. Ein langsames Vortasten, wie bei einem Blind Date.
Doch schließlich hatte ich mich warmgeplaudert, und in meinem Geist genug Kissen ausgelegt, so dass ich bei schlechten Nachrichten weich fallen würde. Derart gewappnet, fühlte ich mich reif, in sensiblere Themenbereiche vorzustoßen.
»Du hattest mir am Telefon gesagt, dass du unbedingt mit mir reden musst.«
»Ja …«
Sie druckste herum, während ich mit einem Auge an ihren Lippen hing und mit dem anderen beobachtete, wie meine beiden Verfolger aufstanden und das Café verließen.
»Es geht um meine Mutter.«
Um ihre Mutter?
Mein Herz lag auf dem Schafott, meine Eier hingen im Schraubstock - und sie wollte mit mir über ihre Mutter reden!
»Sie hat am Wochenende zufällig meine Freundin getroffen. Die, mit der ich angeblich verreist war.«
»Das ist wohl nicht so gut.«
Lien verdrehte die Augen.
»Natürlich nicht! Das ist sogar sehr schlecht. Mir blieb nichts anderes übrig: Ich musste ihr alles von dir erzählen.«
»Vielleicht ist das ja gar nicht so schlimm. Dann müssen wir uns wenigstens nicht mehr verstecken«, wagte ich ungefragt einen optimistischen Vorgriff auf eine gemeinsame Zukunft. Erfolglos.
»Im Gegenteil: Sie hat mir verboten, dich wiederzusehen.«
»Was? Du bist 28 Jahre. Du kannst doch wohl selber entscheiden, mit wem du dich treffen willst.«
Lien seufzte.
»Das verstehst du wahrscheinlich nicht. Aber bei uns ist das anders als in Europa. Hier ist das Wort der Eltern Gesetz. Wir können das nicht einfach in Frage stellen und machen, was wir wollen.«
Plötzlich flog ein leichtes Lächeln über ihr Gesicht.
»Na ja, so ganz stimmt das natürlich nicht. Sonst hätten wir ja gar nicht zusammen
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