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Miss Seeton riskiert alles

Miss Seeton riskiert alles

Titel: Miss Seeton riskiert alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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Wyght.
    »Sie können sich wenigstens nicht beklagen, daß die Anlage nicht funktioniert«, sagte Deirdre. »Was für ein Lärm!«
    Der Polizist kam den Gartenweg herauf. »Haben Sie geübt, Miss?«
    »O nein, Mr. Potter«, entschuldigte sich Miss Seeton. »Ich bin technisch nicht sehr begabt, und ich habe leider verwechselt, was man zuerst tun muß und welcher Schlüssel zu was gehört. Es tut mir sehr leid!«
    »Das passiert beim ersten Mal immer, Miss – es ist die einzige Möglichkeit, es zu lernen«, tröstete er sie. »Fahren Sie weg?«
    »Ja, nur über das Wochenende. Aber Martha hat die Zweitschlüssel. Wenn irgend etwas passiert, wird sie sich darum kümmern.«
    »Und sie hat Ihre Anschrift, Miss?«
    »Wozu? Nein. Ich bleibe nur bis Montag. Es hätte keinen Zweck, mir etwas nachzuschicken.«
    Potter, der Miss Seeton kannte, hatte das Gefühl, es könnte für die Polizei besser sein, ihren Aufenthaltsort schriftlich festzuhalten.
    »Vielleicht geben Sie sie mir, Miss, für alle Fälle.«
    Miss Seeton sah Deirdre an, die aufhörte zu lachen und sich aufrichtete. » Kenharding Abbey, Little Sweepings, Suffolk«, sagte sie. Sie verstaute Miss Seetons Koffer im Kofferraum und dessen Eigentümerin auf dem Beifahrersitz, lief um den Wagen, lächelte Potter und den Zuschauern zu, stieg ein und jagte den Wagen die Straße hinunter.
    Die Dorfbewohner beobachteten dies mit Interesse, der Polizist jedoch nachdenklich. Es paßte nicht zu Miss Seeton, übers Wochenende herumzubummeln. In der Regel lebte sie ziemlich ruhig, es sei denn, sie hatte einen Auftrag. Sie mußte unglaublich viel verdienen. Hatte sie jetzt einen Auftrag? Nach allem, was er über ihr letztes Abenteuer gelesen hatte, war es sehr wahrscheinlich. Auf jeden Fall würde er einen Bericht machen, daß die Alarmanlage losgegangen war – wahrscheinlich irrtümlich – und daß sie nun zu diesem Haus in Suffolk unterwegs war.
    Kenharding Abbey saß wie eine graue Matrone über dem schmucken Dorf Little Sweepings. Die Gebäude wirkten imponierend in ihrem Verfall. Weder ein geschichtlicher Hintergrund noch genügend Kapital waren vorhanden, um sie unter Denkmalschutz zu stellen oder für Besucher attraktiv zu machen.
    Der alte Diener, der Miss Seetons Koffer nahm, schien so gebrechlich zu sein, daß er ihn kaum tragen konnte. Als er langsam die breite Treppe hinaufgestiegen war, war Miss Seeton froh, daß sie rechts in die Galerie einbogen, die an drei Seiten der Eingangshalle entlanglief, und in ein großes, dunkel getäfeltes Schlafzimmer traten, wo der Diener seine Last auf einen Hocker am Fußende eines Himmelbettes niedersetzen konnte.
    »Das Abendessen wird um acht Uhr serviert. Wann möchte Madam ihr Bad?«
    »Um sieben Uhr«, riet ihr Deirdre, »sonst ist alles warme Wasser weg. Dann haben Sie auch noch Zeit, meine Eltern vor dem Essen zu begrüßen.«
    »Sehr gut, Miss Deirdre. Ich werde Helen schicken, damit sie Madam hilft.« Er verbeugte sich und zitterte hinaus.
    »Ich hoffe«, sagte Deirdre, »Sie haben nichts gegen den Geist, der gelegentlich erscheint. Er tritt aus der Täfelung am Kamin, wenn er nichts Besseres zu tun hat. Selbst habe ich ihn nie erlebt, aber viele Leute schwören, ihn gesehen zu haben. Jedenfalls tut er Ihnen nichts – er wirft nicht mit Dingen um sich, brüllt nicht >buh!< und klirrt nicht mit Ketten.«
    Miss Seeton hatte keine Vorurteile, was Geister anbelangte. Ein umherirrendes Gespenst paßte zu dem nicht gerade einladend aussehenden Raum, dessen Fenster mit Bleiverglasung das Licht zwar dämpften, dieses aber nicht die Risse in den schweren unpolierten Eichenmöbeln, die fadenscheinigen Bettvorhänge und die geschickt geflickten Stellen in den gestickten seidenen Bettdecken verbergen konnte.
    Deirdre Kenharding las die Gedanken ihres Gastes. »Ich habe Sie unterwegs gewarnt, daß das Haus etwas schäbig ist.« Impulsiv ergriff sie Miss Seetons Hand und drückte sie. »Ich bin Ihnen schrecklich dankbar, daß Sie gekommen sind. Und vergessen Sie nicht, daß Sie an der Highfold-Schule in Merriden, Sussex, als Vertretung gearbeitet haben.«
    Miss Seeton wünschte von ganzem Herzen, daß dieser Besuch bei Lord und Lady Kenharding nicht mit einem Betrug hätte verbunden werden müssen. Doch noch mehr wünschte sie, daß sie nicht gekommen wäre. Aber Deirdre hatte eine solche Überzeugungskraft! Und außerdem, wenn die Familie in ernsthaften Schwierigkeiten steckte und man sie veranlassen konnte, mit der Polizei zu reden,

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