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Miss Seeton riskiert alles

Miss Seeton riskiert alles

Titel: Miss Seeton riskiert alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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Andererseits sieht Sir Hubert Everleigh in Miss Seeton eher das Opfer der Umstände als die Ursache. Er weiß, daß sie jedesmal, wenn sie eine Zeichnung machen soll, gewisse Risiken eingeht. Das war der Grund, warum er versuchte, ihr eine feste Anstellung zu geben und ihr eine jährliche Pauschalsumme für ein Anrecht auf ihre Dienstleistungen auszusetzen. Doch Miss Seeton war für solche einleuchtenden Argumente nicht zu haben. Was sie betraf, so hatte sie im Laufe der Jahre trotz des gegenteiligen Augenscheins die Fähigkeit bis zur Vollkommenheit entwickelt, ihr Leben so zu sehen, wie sie es gern haben wollte: friedlich und ereignislos.
    Deirdre war entschlossen, diese trügerische Friedlichkeit zu stören. Ihr Instinkt zeigte ihr einen anderen Weg. Die Hände ausgestreckt, die Handflächen bittend nach oben gerichtet, sagte sie: »Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Könnten Sie nicht…« Auch Miss Seeton wußte keinen Rat.
    Deirdre nutzte die günstige Gelegenheit. »Wissen Sie, ich brauche Rat von jemandem, der unvoreingenommen ist. Ich könnte mir Dinge einbilden – ich weiß, daß ich es nicht tue, aber es wäre möglich. Vater ist so gereizt, seit Thatcher den Goldfisch übernommen hat. Abgesehen davon«, sie sprang ungeduldig auf, »wurde es natürlich nicht Übernahme der Geschäftsführung genannt. Sie nannten es: mehr Geld und neue Ideen hineinstecken. Ich weiß aber, daß etwas faul an der Sache ist. Thatcher kam und besuchte Vater. Nach dem Essen hatten sie in seinem Arbeitszimmer einen Streit. Ich konnte nicht verstehen, um was es ging. Mutter sagte, ich sollte nicht lauschen.
    Aber«, sie lachte leise, »was wollte sie selbst in der Halle? Jedenfalls beruhigte sich alles wieder, bis später die Sache mit Derrick passierte.«
    »Derrick?« Zaghaft, aber tapfer bemühte sich Miss Seeton, den Zusammenhang zu verstehen.
    »Entschuldigung. Ich vergesse immer, daß Sie sich in der Familie nicht auskennen. Jeder war entsetzlich freundlich.« Ihr Ton war sarkastisch. »Sie riefen an und sagten, wie sehr sie es bedauerten. Sie wollten nur, daß wir Bescheid wußten, daß sie alles in der Zeitung gelesen hatten. Schließlich hatte man das Gefühl, daß die ganze Welt es… Derrick – das ist mein Bruder – war auf einer Party, als eine Razzia gemacht wurde. Er kam unter Rauschgiftanklage aufs Revier. Ich glaube, er hat Glück gehabt, daß er nur eine Geldstrafe erhielt.« Sie hockte sich auf die Sessellehne. »Ich wußte, daß er einige Wochen vorher nach London gefahren war, um Thatcher wegen einer Stelle in einem der Klubs aufzusuchen; er konnte nicht anders, er mußte damit prahlen. Jedenfalls ist Vater explodiert. Er ließ sich von Derrick den Hausschlüssel geben und sagte, wenn er zu Hause wohnen wolle, habe er vor elf Uhr da zu sein, wenn abgeschlossen würde. Er ließe nicht zu, daß sein Haus als Absteige benutzt würde von einem degenerierten kleinen . nun, er belegte ihn mit einer Menge Schimpfnamen.«
    »Und Ihr Bruder wohnt noch zu Hause?« fragte Miss Seeton.
    »Mehr oder weniger, vermute ich; wenn er nicht bei seinen sogenannten Freunden in London bleibt.« Sie zuckte mit den Achseln.
    »Aber er schleicht sich so spät, wie es ihm paßt, herein, erscheint zum Frühstück und schwört, er sei früh nach Hause gekommen und gleich auf sein Zimmer gegangen, um niemanden zu stören. Ich sagte ihm einmal, er sei ein Lügner, worauf er erwiderte, er klettere hoch und käme zum Fenster herein.«
    Dies alles hörte sich zwar sehr bedauerlich an, war aber nicht so ungewöhnlich. »Schließlich«, begann Miss Seeton vorsichtig, »sind junge Männer…«
    Deirdre lachte. »Fangen Sie nicht auch noch an! Mutter hat versucht, für ihn Partei zu ergreifen, und gemeint, junge Männer müßten sich eben die Hörner abstoßen. Vater sagte jedoch, siebzehnjährige Jungen seien keine Männer. Außerdem habe er gefährlichen Unsinn im Kopf. Oh, ich gebe zu, es könnte sein, daß er nur Dummejungenstreiche macht, wenn da nicht dieser Thatcher wäre.« Sie schnitt eine Grimasse. »Ich traue ihm nicht über den Weg. Er kam am Sonntag nach der Rauschgiftgeschichte zu uns. Dann haben sich Vater und er heftig gestritten. Diesmal«, gab Deirdre zu, »habe ich einiges mitbekommen, weil Vater brüllte, Thatcher sei dafür verantwortlich, daß Derrick Drogen nehme und der Goldfisch zu einer Kreuzung von Bordell und Opiumhöhle würde. Ich konnte nicht hören, was Thatcher antwortete, aber«, beim Gedanken daran

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