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Miss Seeton riskiert alles

Miss Seeton riskiert alles

Titel: Miss Seeton riskiert alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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verblühen begann, aber deutlich sehr viel jünger war als ihr Mann, sah auf Miss Seetons Glas.
    »Sind Sie sicher, daß Sie nicht lieber etwas anderes möchten? Es scheint so . « Wie die meisten ihrer Bemerkungen zerrann der Satz in nichts. Man hatte den Eindruck, daß ihr Geist anderswo weilte und die Anstrengung, die eine gesellige Unterhaltung erforderte, zu groß war, um den Gedanken zu Ende zu führen. Sie begann ein neues Thema. »Highfold – eine gute Schule, glaube ich, und es freut mich sehr, daß Deirdre die Verbindung aufrechterhält. Natürlich«, die höfliche Lüge, »erinnere ich mich, daß ich Ihnen begegnet bin. Aber an den Eltern tagen waren immer so viele Leute dort. Ich dachte immer . « Was die Lady dachte, wurde nicht bekanntgegeben. Ihr Geist hatte sich wieder in ihre innere Welt zurückgezogen, und die Batterien mußten neu aufgeladen werden, ehe er wieder auftauchte.
    Während des Essens zog der leere Platz neben Miss Seeton alle Blicke auf sich. Lord Kenharding hatte ihn schon bemerkt, ehe das Essen serviert wurde, und seine Frau fragend angesehen. Da er keine andere Antwort erhielt als ein leichtes Kopfschütteln, wandte er sich an seine Tochter. Deirdre vermied jedoch, ihn anzusehen, und begann ein Gespräch über Schulerinnerungen. Danach stockte die Unterhaltung immer wieder. Miss Seetons Hauptsorge war der alte Timson, der die schweren Silberschüsseln herumreichte. Helene war nicht zu sehen – wenn man nicht das ausgezeichnet zubereitete Essen als Zeichen ihrer Anwesenheit verstand. Waren die Timsons die einzigen Hausangestellten hier, fragte sie sich.
    Nach Tisch, als sie sich zum Kaffee im Salon um ein knisterndes Holzfeuer im Kamin versammelten, war die Stimmung etwas entspannter. Miss Seeton bemerkte, daß das einzige Zugeständnis an die moderne Zeit eine elektrische Kaffeemaschine war.
    Lord Kenharding, dessen Schweigen bei Tisch man vielleicht auf die Schwierigkeit zurückführen konnte, daß er mit einer Hand essen mußte, machte nunmehr einen Vorstoß. »Sie kommen natürlich zu dem Meeting?«
    Meeting? Irgendeine Art von Sonntagsgottesdienst, vermutete sie. Aber »Meeting«? Vielleicht gehörte die Familie zu den Quäkern? Hatten diese nicht »Meetings«? Miss Seeton wußte, daß ein Gast sich immer anpassen sollte. Außer natürlich, wenn man völlig entgegengesetzter Ansicht war. »Nun…«, begann sie.
    Deirdre kam ihr zu Hilfe. »Natürlich kommt sie. Das ist das Wichtigste. Außerdem«, fügte sie schnell hinzu, um jeden Protest im Keim zu ersticken, »Miss Seeton ist ein hervorragender Spieler. Ich verlasse mich auf ihre Tips.«
    »Ich wünschte wirklich, Deirdre«, ihre Mutter sah bekümmert aus, »du würdest nicht wetten. Du kannst es dir nicht leisten, und es ist nur hinausgeworfenes Geld. Es ist schlimm genug mit Derrick…« Sie versank in Gedanken.
    »Wo ist Derrick?« fragte Deirdre. »Habe niemals erlebt, daß er das Rennen versäumt.«
    »Ich weiß. Deshalb dachte ich mir…« Wie üblich konnte man nur Vermutungen darüber anstellen, was Lady Kenharding dachte.
    Deirdre fuhr fort: »Und er hat bei jedem Meeting wunderbar Gelegenheit, Unruhe zu stiften. Noch niemals habe ich erlebt, daß Derrick auch dies versäumt hätte.«
    »Das reicht!« erklärte ihr Vater energisch. »Ich habe dir gesagt, ich will nicht, daß darüber gesprochen wird.«
    »Warum nicht?« Deirdre war entschlossen, daß die unangenehmen Familiengeheimnisse nicht nur angedeutet, sondern Miss Seeton zum Nutzen enthüllt werden sollten. »Jeder spricht darüber, und jeder, der Zeitung liest, weiß…«
    »Ich wiederhole, es ist genug. Sagen Sie mir«, fragte er Miss Seeton, »fanden Sie, daß sich der Versuch lohnte, den Kindern Zeichnen beizubringen? Wenn ich zurückdenke, was meine Tochter auf diesem Gebiet geleistet hat, und ich ihr Lehrer gewesen wäre«, ein aufleuchtendes Lächeln verriet Deirdres Ähnlichkeit mit ihm, »dann, glaube ich, hätte ich mich eines Tages an einem Bilderhaken aufgehängt.« Miss Seeton lachte. »Ich glaube, es ist wichtiger zu lernen, sich im Geist ein Bild von den Dingen zu machen und sie im Gedächtnis zu behalten, als diese Bilder aufs Papier bringen zu können.«
    Die Wiederholung des Wortes »Bild« scheuchte die Gräfin aus ihren Gedanken auf. »Möchten Sie fernsehen?« fragte sie. »Wir tun es manchmal abends – und man kann immer Nachrichten hören. Timson und Helene benutzen den Apparat tatsächlich mehr als wir. Sie scheinen immer das

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