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Miss Seeton riskiert alles

Miss Seeton riskiert alles

Titel: Miss Seeton riskiert alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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Und ein ziemlich übler Geruch blies herein, feucht und stinkend. Die Art Geruch – nun, um ganz ehrlich zu sein – die Art Geruch, die man mit Friedhöfen verband. Welch ein Jammer, daß der Garten so ungepflegt war, so verwildert. Es war wohl besser, das Fenster zu schließen. Daraus ergab sich eine weitere Überlegung. Sollte man die Nachttischlampe anknipsen? Natürlich konnte man dann besser sehen. Andererseits würde man dadurch hellwach. Sie spähte in die Dunkelheit. Eigentlich war es gar nicht so dunkel. Miss Seeton schlüpfte aus dem Bett, zog ihren wollenen Schlafrock an und näherte sich vorsichtig den Fenstern. Sie schob ihre Hand zwischen die Vorhänge, tastete nach dem Riegel und entdeckte – wie seltsam –, daß die Fenster geschlossen waren. Helene mußte sie geschlossen haben. Durch Deirdres Hereinkommen hatte sie vergessen, sie später zu öffnen. Aber wo kam in diesem Falle der Windzug her? Und auch der Gestank? Unsichtbar in ihrem grauen Schlafrock vor den Vorhängen stand sie dort und starrte in das Zimmer. Eine hellere Gestalt oder, nein, um genau zu sein, es war keine Gestalt, ein helleres Etwas schwebte neben dem Kamin. Da erinnerte sie sich! Deirdre hatte einen Geist erwähnt. Das Etwas glitt zur Tür. Miss Seeton hörte das schwache Geräusch einer Türklinke, die hinuntergedrückt wurde, spürte einen Luftzug, und das Etwas entschwand, worauf mit einem leisen Knacken die Tür wieder ins Schloß fiel. Sehr merkwürdig! Man hatte immer gehört, daß Geister durch Türen hindurchgehen konnten, ohne sich die Mühe zu machen, sie zu öffnen oder zu schließen. So also kam Deirdres Bruder – wie schrecklich ungezogen – nachts ins Haus! Wirklich sehr rücksichtslos! Wie leicht könnte er jemand einen Schrecken einjagen. Sie wollte gerade zum Bett gehen, als sie innehielt, weil sie eine Bewegung spürte. Ein undeutlicher Schatten – oder waren es zwei? – ging vom Kamin zum Bett, und sie nahm einen neuen Geruch wahr, der sie an Krankenhäuser erinnerte.
    »Was tun Sie da?« fragte Miss Seeton. Jemand schnappte nach Luft, der Strahl einer Taschenlampe fiel auf einen Mann, der über die Kissen gebeugt dastand, sich halb umwandte, den Mund vor Schreck geöffnet, in einer behandschuhten Hand einen Wattebausch. Er sprang auf das Licht zu. Hinter dem Licht kam etwas hervor, das mit voller Wucht auf ihn niedersauste. Er fiel aus dem Lichtstrahl und verschwand unter dem Bettvorhang. An der Taschenlampe vorbei griff eine Hand nach der Nachttischlampe und drehte das Licht an.
    »Ich hätte wissen sollen«, sagte Haley, »daß Sie dahintergekommen sind.«
    Aber, überlegte er, dieses Mal hatte wenigstens er ihren Angreifer niedergeschlagen, statt umgekehrt. Raffiniert, ihren Gegner in eine ungünstige Position zu versetzen, indem sie nicht dort war, wo er sie vermutete, und ihn so zu erschrecken, daß er ganz aus dem Häuschen geriet. Und dann im Plauderton zu fragen, was er dort mache. Wie hatte sie allein mit der Type auf dem Fußboden fertig werden wollen, fragte er sich. Wahrscheinlich hatte sie eine Pistole im Ärmel versteckt oder hinter dem Vorhang oder sonstwo. Er verstand nicht, wieso sie wissen konnte, daß er dem Kerl folgte und an Ort und Stelle sein würde, um ihm eins an den Kopf zu geben. Sie war wirklich ein Profi.
    »Was hätten Sie mit ihm gemacht?« fragte er.
    »Gemacht?« Miss Seeton war verlegen. Es schien so viel passiert zu sein. Und so schnell. »Wer ist er?«
    »Keine Ahnung.« Haley rollte den Mann auf den Rücken. »Ach, das ist ja Morden! Im Garten war es zu dunkel, um etwas sehen zu können. Er wurde wegen eines bewaffneten Raubüberfalls eingesperrt und erhielt ein paar Jahre. Möchte gern wissen«, fügte er mürrisch hinzu, »warum sie ihm nicht lebenslänglich aufbrummten. Damit wäre es erledigt gewesen.«
    Es klopfte leise, und Haley sprang mit einem Satz hinter die Tür, seinen Gummiknüppel schwungbereit in der Hand. Ehe er sie daran hindern konnte, rief Miss Seeton: »Herein!«
    Die Tür öffnete sich, und Haley hob den Gummiknüppel, nur um ihn gleich wieder sinken zu lassen und in die Tasche zu stecken. Ein schwerer eiserner Schürhaken in der zitternden Hand eines kleinen, alten Mannes im gestreiften Flanellpyjama und geripptem Schlafrock kam durch die Tür geschwankt. Ihm folgte eine kleine, mollige Frau, fast genauso alt, mit einem Spitzenhäubchen auf dem Kopf, die ein altmodisches Bügeleisen umklammerte. Der junge Mann starrte sie verwundert an. Für

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